Mikroorganismen zeigen schnell an, wenn es in ihrer Umgebung zu Veränderungen kommt. Prinzipiell würden sie sich daher als Indikatoren für Probleme in einem Ökosystem eignen. Zum Leidwesen der Wissenschafter sind sie allerdings nur schwer zu identifizieren. Nun aber haben europäische Wissenschafter eine neue Technik entwickelt, die auf das Genom der Mikroben zurückgreift. Mithilfe einer Künstlichen Intelligenz kann ein Algorithmus das genetische Material von unbekannten Organismen nutzen, um Aussagen über den Zustand der Umwelt zu machen.

Zu viel Nitrat in unseren Gewässern oder die Versauerung der Meere, die etwa Korallenriffen zu schaffen macht, sind nur zwei Beispiele, die zeigen, wie der Mensch die Umwelt verändert. Um Schäden möglichst früh entgegenzuwirken, ist es wichtig, den Zustand von Ökosystemen zu überwachen. "Kleinstlebewesen eignen sich als Indikatoren, weil sie auf solche Veränderungen sehr sensibel reagieren", sagt Thorsten Stoeck von der Technischen Universität Kaiserslautern.

Mikrobieller Fingerabdruck

Im vergangenen Jahr hat Stoeck zusammen mit Kollegen von der Universität Genf ein Verfahren entwickelt, mit dem sie die Wasserqualität in der Nähe von norwegischen und schottischen Lachsfarmen einfacher im Blick behalten. "Wir setzen dabei auf DNA-Sequenzen der Mikroorganismen", erläutert Stoeck. "Ihr genetisches Material ist wie ein spezifischer Fingerabdruck." Die Biologen sind dabei eine Datenbank aufzubauen, in denen die genetischen Marker dieser Tierchen hinterlegt ist.

Allerdings haben die Wissenschafter, wenn sie ihre Proben auswerten, immer noch DNA-Sequenzen, die sie keiner bisher bekannten Art zuordnen können. "Über ihre Rolle im Ökosystem wissen wir noch nichts. Daher war es schwer, sie als Indikatoren einzusetzen", sagt Stoeck.

Lernfähiger Algorithmus

Mit dem Team um Tristan Cordier, Erstautor der aktuellen Studie, und Jan Pawlowski von der Universität Genf hat Stoeck einen Algorithmus entwickelt, der mithilfe Künstlicher Intelligenz hinzulernt. Um das Rechenverfahren mit Informationen zu füttern, haben die Biologen DNA-Proben von verschiedenen bekannten Mikroben verwendet. "Wir kennen ihre Rollen im Ökosystem und wissen, ob sie eher als Indikator für einen guten oder schlechten Zustand dienen", so Stoeck. Mit diesen Daten haben die Forscher ein Referenzsystem erstellt. "Damit hat der Algorithmus ein Vorhersagemodell entwickelt, in das auch die Sequenzdaten der unbekannten Mikroben einfließen."

"Die Methode ermöglicht es uns, ein Ökosystem zu überwachen, ohne vorher die dort vorkommenden Mikroben-Arten zu identifizieren", fasst Stoeck die im Fachjournal "Trends in Microbiology" veröffentlichten Ergebnisse zusammen. Darüber hinaus lassen sich mit der Technik neue Arten aufspüren. Nach und nach werden die Wissenschaftler außerdem Werte von neuen Proben einfließen lassen, sodass ihr Modell verfeinert und immer genauer wird. (red, 20.12.2018)