Innenminister Emmanuel Shadary (Bild) soll Langzeitpräsident Joseph Kabila, der nicht mehr antreten darf, den Sessel warmhalten. In einer fairen und freien Wahl würde er wohl dem beliebten Oppositionskandidaten Martin Fayulu unterliegen. Deswegen befürchtet man Manipulationsversuche.

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Viele sind schon seit dem frühen Morgen hier. Inzwischen ist es vier Uhr Nachmittag – und von Martin Fayulu fehlt noch immer jede Spur. Der Platz am Rand der ostkongolesischen Provinzhauptstadt Goma füllt sich immer mehr: Die Verspätung des Kandidaten scheint keinen zu stören. Auf die Chance, endlich wieder einen neuen Präsidenten wählen zu können, warten die Kongolesen schon seit zwei Jahren, da machen ein paar Stunden nichts mehr aus.

Staatschef Joseph Kabila ließ den Urnengang immer wieder verschieben: Mal hieß es, es sei kein Geld da, mal wurde die Sicherheitslage verantwortlich gemacht. Diesen Sonntag hätte es so weit sein können, doch auch am Donnerstag wurde die Wahl um eine Woche verschoben.

Die Sonne ist bereits untergegangen, als Martin Fayulus Wagenkolonne endlich auftaucht. Der ehemalige Direktor einer Erdölgesellschaft wird wie ein Star empfangen: Dermaßen wild ist die Menge, dass der 62-jährige Oppositionskandidat direkt vom Wagen aufs Podium gezogen werden muss. Dabei stammt Fayulu nicht einmal aus der Gegend: Seine Rede muss er auf Französisch statt in der ostkongolesischen Verkehrssprache Kisuaheli halten. Doch der Bewerber steht nicht allein auf dem Podium: Hinter ihm steht eine breite Oppositionsallianz. Wäre die Union pour la Démocratie et le Progrès Social (UPDS) nicht in letzter Minute aus dem Bündnis ausgeschert, hätte Fayulu den Sieg in der Tasche gehabt.

Fayulu weiß, auf welche Fragen er im Wahlkampf zu sprechen kommen muss: "Wie kann es sein, dass der Kongo als eines der bodenschatzreichsten Länder der Welt so viel Armut hervorbringt?" Oder: "Warum gibt es keine Jobs? Und warum keine Sicherheit?" Die Antwort ist so klar, dass der Kandidat sie gar nicht geben muss: "Weg mit Kabila!", heißt es im Sprechchor. 17 Jahre lang hat der Sohn des einstigen Rebellenchefs Laurent Kabila das Land nur immer weiter heruntergewirtschaftet: Unruhen, Flüchtlingsdramen, Menschenrechtsverbrechen und zum Himmel schreiende Korruption sind an der Tagesordnung.

Druck aus dem Ausland

Wenige Tage vor Fayulu war auch Felix Tshisekedi in Goma: Der UPDS-Chef musste sich allerdings mit einer kleinen Schar an Jublern begnügen. In der Provinzstadt Beni sah er sich sogar gezwungen, seinen Auftritt abzubrechen: Tausende riefen "Dégage", "Hau ab". Der Grund für die Wut der Bevölkerung ist bekannt: Tshisekedis Ausscheren aus dem im November in Genf geschmiedeten Oppositionsbündnis betrachten viele Kongolesen als Verrat.

Staatschef Kabila selbst steht nicht mehr zur Wahl: Unter dem Druck der afrikanischen Nachbarn und des westlichen Auslands musste sich der Staatschef zur Einhaltung der Verfassung bereiterklären, die Präsidenten nur zwei Amtszeiten hintereinander erlaubt. An seiner Stelle schob Kabila einen Strohmann ins Rennen: Innenminister Emmanuel Shadary, der wegen seiner gewalttätigen Niederschlagung der Proteste gegen die widerrechtliche Amtszeitverlängerung des Präsidenten von der EU mit Sanktionen belegt worden ist.

Kabila-Klon Shadary soll Kabila nur den Sitz warmhalten für die nächste Wahl. Er kann Umfragen zufolge höchstens mit 20 Prozent der Stimmen rechnen. Der regierende Parti du peuple pour la reconstruction et la démocratie (PPRD) wird deshalb sämtliche Tricks anwenden müssen, um der Ersatzfigur zur Macht zu verhelfen. Ihre Wahlmanipulationsinstrumente hat die Partei bereits in den zwei zurückliegenden Abstimmungen geschärft: Im Zentrum des Streits steht derzeit "die Maschine": Ein Stimmenerfassungsgerät aus Südkorea, das aus Kostengründen erstmals eingesetzt werden soll. "Was wollen wir nicht?", ruft Martin Fayulu in die Menge: "Die Maschine!", schallt es als Antwort zurück.

Bedenken gegen "Maschine"

Wenn es richtig eingesetzt werde, sei gegen das Gerät nichts einzuwenden, meint der katholische Abbé Aurélien, einer von rund 40.000 Wahlbeobachtern der größten Glaubensgemeinschaft im Kongo. Im Idealfall druckt die Maschine einen Wahlzettel aus, der dann in eine Box gesteckt, ausgezählt und als Beleg aufbewahrt werden kann. Gingen die Stimmen jedoch ohne Beleg direkt auf elektronischem Weg in die Zentrale, sei dem Betrug Tür und Tor geöffnet, fährt der Priester fort: Schon heute sei abzusehen, dass es in vielen Wahllokalen mit dem Ausdruck nichts werden würde.

Kürzlich ging in der Hauptstadt Kinshasa ein Lagerhaus mit 8.000 der Geräte in Flammen auf. Die Regierung will glauben machen, dass dies das Werk oppositioneller Saboteure war. Regelmäßig kam es während des vierwöchigen Wahlkampfs auch zu Gewalttaten vor allem seitens der Sicherheitskräfte. In Lumumbashi schossen Soldaten während einer Kundgebung Fayulus in die Menge, mindestens fünf Menschen starben. Die Kampagne des Oppositionskandidaten wurde mit billigsten Tricks behindert: Die Polizei lotste ihn zu falschen Orten, sein Flieger erhielt im letzten Moment keine Landerechte.

Kabila fürchtet weniger den "Soldaten des Volkes", wie sich Fayulu nennt, als die beiden mächtigen Figuren, die hinter ihm stehen: hier der einstige Kriegsfürst Jean-Pierre Bemba, dort Moïse Katumbi, Gouverneur der rohstoffreichen Katanga-Provinz, der Kabila seinen Reichtum verdankt, sich aber mit ihm verkracht hat.

Beide haben in Fayulu einen passenden Kandidaten gefunden. Er selbst verfügt über keine Hochburg, die den beiden gefährlich werden könnte, und kündigte an, nur zwei Jahre im Amt bleiben zu wollen. Das wäre der erste friedliche Machtwechsel. (Johannes Dieterich aus Goma, 20.12.2018)