Henry Bestons (1888-1968) Verlobte Elizabeth Coatsworth dürfte eine geduldige Frau gewesen sein. Und eine entschlossene. Es war für die bekannte Kinderbuchautorin zunächst überhaupt kein Problem, dass aus den zwei Wochen, die ihr künftiger Mann allein in einer abgelegenen Hütte auf einer Düne von Cape Cod verbringen wollte, schließlich ein ganzes Jahr wurde.

Letzteres hatte damit zu tun, dass sich Beston, ein Harvard-Dozent, der im Ersten Weltkrieg als Freiwilliger in der französischen Armee gedient hatte und später als Kriegsberichterstatter arbeitete, während seines Aufenthalts auf Cape Cod spürte, dass er der Anziehungskraft der Natur, dem einfachen Leben und dem tosenden Meer, nicht so schnell entkommen würde. Also blieb er, solange es ihm notwendig schien auf der Halbinsel, die im Osten der USA wie ein angewinkelter Arm in den Atlantik ragt. Als Beston, der seine Eindrücke auf Cape Cod in Notizbüchern für den Eigengebrauch festgehalten hatte, dann endlich zurück nach Harvard reiste, hielt er um Elizabeths Hand an. Sie freute sich, hatte aber eine Bedingung: "Kein Buch, keine Heirat." Der eingeschüchterte Ehemann in spe tat, wie ihm geheißen.

1928 erschien sein Buch The Outermoust House bei Doubleday. Seither ist der Band als Klassiker des Nature-Writing nie mehr aus den (englischsprachigen) Buchhandlungen verschwunden. Rachel Carson, die mit Der stumme Frühling über die mögliche Vernichtung der Vogelpopulation durch Umweltgifte 1962 eine Art Bibel der Umweltbewegung vorgelegt hat, bezeichnete Bestons Buch als einziges Werk, das sie wirklich beeinflusst habe.

Furor des Benennens

Warum dem so sein könnte, wird schon nach wenigen Seiten von Bestons Abhandlung klar, die nun erstmals unter dem Titel Das Haus am Rand der Welt. Ein Jahr am großen Strand von Cape Cod in der fein rhythmisierten Übersetzung von Rudolf Mast auf Deutsch vorliegt, und zwar in einer besonders schönen Ausgabe. Schönheit, Ruhe und Entschiedenheit liegen auch in den zehn Kapiteln des Bandes, die von Bestons Beobachtungen, vom Alleinsein und dem Gewinnen einer anderen Sicht auf die Natur und sich selbst ebenso handeln wie vom Hängenbleiben des Blicks am Zittern eines Grashalms oder am Flug der Vögel.

Es ist ein Furor des Benennens verschiedener Tier- und Pflanzenarten sowie eine Feier des Hörens, Sehens und Schmeckens, den Beston einer Zeit entgegenstellt, "in der sich alles um Leistung dreht". Das Buch lässt aber auch den Schrecken nicht aus: die gewaltigen Stürme, die vielen Schiffe, die vor der Küste untergehen, der Kampf der Küstenwache um deren Besatzung. Das Haus am Rand der Welt schildert präzis die Schönheiten und Härten des Lebens und der Jahreszeiten – und es weist auf den Zyklus des Werdens, Vergehens, Wiedererstehens hin. Beston endet mit einem Plädoyer: "Welche Haltung gegenüber dem Leben Sie für sich auch immer als richtige ausgemacht haben mögen, denken Sie daran, dass sie nur dann als fundiert gelten darf, wenn sich darin Ihre Haltung gegenüber der Natur reflektiert. Das Leben der Menschen wird zwar oft mit dem Schauspiel auf einer Bühne verglichen, ist aber eher ein Ritual. Wer die Natur gering schätzt, schätzt auch die Menschen gering. Halten sie Ihre Hand schützend über die Erde wie vor eine Flamme." (Stefan Gmünder, 19.12.2018)