Das Scheitern der Mitte-rechts-Regierung in Belgien kommt nicht allzu überraschend. Schon seit längerem haben die flämischen Nationalisten von der N-VA als größtem Koalitionspartner in einem schwierigen Drei-Parteien-Bündnis unter dem liberalen Premierminister Charles Michel aufbegehrt. Meist ging es dabei um Streitfragen der Steuerverteilung zwischen Zentrum und Regionen, um innere Sicherheit und um Migration.

Mit einer harten Linie bei diesen Themen ist die nationale Allianz in Flandern, im Norden des Landes, vor zehn Jahren stark geworden. Auch mit der Forderung, die Monarchie abzuschaffen, den König in Rente zu schicken und ein geteiltes Belgien in der EU "verdampfen" zu lassen, wie das Parteichef Bart De Wever einst formulierte.

Die Kontroverse mit Michel wegen des UN-Migrationspaktes war ihm nun ein willkommener Anlass und Vorwand, in die Offensive zu gehen – aus taktischen Gründen. Umfragen sehen seine Partei klar als Nummer eins. Mit dem EU-Vorsitz Österreichs oder gar mit Kanzler Sebastian Kurz hat das – anders als manche meinen – eher wenig zu tun.

Der Preis ist, dass die Staatskrise zurück ist. Belgien ist schon jetzt ein vielfach gespaltenes Land. Die Regierungsbildung unter dem Sozialdemokraten Elio Di Rupo dauerte deshalb 2010 unglaubliche 541 Tage – Weltrekord. So gesehen war es sogar erstaunlich, dass sein Nachfolger Michel die Regierung fast fünf Jahre stabil halten konnte. (Thomas Mayer, 19.12.2018)