Wie man einen Sechs-Personen-Haushalt führt, nebenbei Vollzeit arbeitet und sich jeden Abend am Herd selbst verwirklicht? Fragen Sie eine Dänin. Ein Tag im Leben der Nadine Levy Redzepi: Aufstehen um sieben, Lunchboxes mit Mortadella-Sandwich und Wachteleiern vorbereiten, Workout und Frühstück mit dem Mann, dann zur Arbeit.

Auf dem Nachhauseweg erledigt sie die Einkäufe. Was andere als notwendiges Übel sehen, ist für sie Zeit für sich selbst. "Ich gehe fast jeden Tag einkaufen. Mit einem Cappuccino in der Hand schlendere ich über den Markt. Wenn es sein muss, fahre ich für eine Zutat quer durch die Stadt."

Die eigentliche Entspannung folgt danach. Für sich, ihre Familie und Gäste zu kochen ist für sie pures Glück. Nadine Levy Redzepi ist die personifizierte Auflösung des Widerspruchs von Familie und Karriere. Von liebender Mutter und selbstbestimmter Frau.

Für viele ist sie zunächst mal die "Frau von", nämlich einem der besten Köche der Welt. René Redzepi ist Mitbegründer und bis heute Chefkoch des Noma, jenes Kopenhagener Spitzenrestaurants, von wo aus die New Nordic Cuisine ihren Siegeszug antrat. Seine sieben Jahre jüngere Frau war beinahe von Anfang an mit dabei.

Nadine Levy Redzepi kocht jeden Tag für ihre Familie. Oft helfen ihre drei Töchter beim Zubereiten der Gerichte.
Foto: Ditte Isager / Knesebeck-Verlag

Was genau heute ihre Aufgabe ist, lässt sich nicht so leicht erklären. "Bürokram. Oh, und ich teste alle neuen Menüs, kein schlechter Job." Abgesehen davon ist auch sie eine hervorragende Köchin. Die Rezepte in ihrem ersten Kochbuch "Downtime" sind von betörender Schlichtheit, allerdings auf andere Art als jene der New Nordic Cuisine, wo Saisonalität und Regionalität mitunter auf die Spitze getrieben werden.

Auch Levy Redzepi orientiert sich am Rhythmus der Natur und nimmt, was die wöchentlich gelieferte Gemüsekiste ihr gibt. Topinambur zum Beispiel verarbeitet sie zu einer Suppe mit Pinienkernen und Mandelmilch (siehe Bild), Blumenkohl zu einem "Braten" mit Crème fraîche.

Topinambur- Mandelmilch-Suppe.
Foto: Ditte Isager / Knesebeck-Verlag

Nicht nur sind die Rezepte in "Downtime" beglückend leicht umsetzbar, sondern auch üppiger, mehr Comfort-Food als das, was aus der Noma-Küche kommt. Muschelspaghetti statt Fischrogensandwich, Haselnuss-Krokant-Kuchen statt fermentierter Kiefernzapfen.

Zucker kommt in dieser Küche genauso selbstverständlich vor wie große Mengen Fett (Butter ins Gemüsewasser!) und Eier, wovon Levy Redzepi pro Woche rund sechs Dutzend verwendet. Hygge für den Gaumen – jene Form von Gemütlichkeit, die inzwischen Lego als dänischen Exportschlager abgelöst hat. Ihre Lieblingsspeise? "Brathühnchen. Und selbstgemachtes Vanilleeis mit Lakritzstaub."

Tiefenentspannung

Gerade eben ist sie von einer Lesereise ihres Mannes in den USA zurückgekehrt, zehn Städte in zwölf Tagen. Erschöpft sieht sie nicht aus. Während wir ein Videotelefonat führen, fährt sie – kein Scherz – Fahrrad. Der Himmel über ihr könnte einen Farbfilter gut vertragen. Sie ist auf dem Weg zum Noma. Zum übergroßen Parka trägt sie eine schwarze Mütze, unter der ein paar Strähnen mandelmilchweißes Haar hervorschauen.

Ihre Augen haben die Farbe eines Sommerhimmels. Sie wirkt so jung, wie sie ist: 33 Jahre. Blonde Haare, Fahrrad, gute Laune, mehr Dänenklischee geht nicht. Ist diese Grundentspanntheit angeboren?

Mal abgesehen vom alltäglichen Familienwahnsinn empfängt sie mindestens dreimal die Woche Gäste, mal Prominente wie den US-Koch David Chang, dem sie Rippchen mit Süßkartoffeln servierte, mal Kollegen oder Freunde. Während anderen unerwarteter Besuch Schweißperlen auf die Stirn treibt, bleibt Levy Redzepi cool. Ihre Tipps: tief Luft holen. Das Fleisch dünner aufschneiden, einen größeren Salat machen. Und den Besuch auf charmante Art in den Ablauf einspannen.

Vermutlich ist nicht nur das Dänen-Gen schuld, sondern die Art, wie sie aufgewachsen ist. Geboren 1985, verbrachte sie die ersten sieben Jahre in Portugal, teilweise auf Campingplätzen. Beide Eltern waren Musiker, ihr britischer Vater nahm den Rock-’n’-Roll-Lifestyle zu wörtlich und verfiel dem Alkohol.

Essen, sagt seine Tochter, habe sie gerettet. Mit sieben Jahren konnte sie eine Vinaigrette zubereiten. Im selben Jahr trennten sich ihre Eltern und die Mutter kehrte mit den Kindern zurück in ihr Heimatland Dänemark, wo die Tochter mehr oder weniger das Küchenregiment übernahm. Mit zehn kochte sie Drei-Gänge-Menüs. Hat sie nie mit dem Gedanken gespielt, Köchin zu werden?

Kohlsprossen und Potato-Skins mit Beurre blanc und Hechtrogen.
Foto: Ditte Isager / Knesebeck-Verlag

"Doch. Während meiner Schulzeit habe ich ein Praktikum in einem Restaurant absolviert und schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist. Ich sitze lieber da und esse. Oder bereite Essen für Menschen zu, die ich liebe." Nach der Schule landete sie auf Empfehlung einer Freundin mit neunzehn im Noma.

Sie liebte die Arbeit als Servicekraft von Beginn an. Dann liebte sie René. Eine Fahrt im Aufzug, ein erster Kuss bei der Personalparty, drei Jahre später das erste Kind.

Was die beiden füreinander als Erstes gekocht haben? Sie: eine gebratene Hühnerleber mit Chili-Tomaten-Soße. Er: die "Abschluss-garantiert-Pasta" mit Tomaten und Wermut. Beide Rezepte finden sich in Levy Redzepis Buch. Das Vorwort hat ihr Mann geschrieben, er schwärmt darin von Nadines fünfgängigem Überraschungsmenü, das beste Essen, das er je hatte. Sie selbst sagt dazu: "Köche verbringen so viel Zeit damit, für andere zu kochen, dass sie einfach glücklich sind, wenn jemand anderes das für sie tut."

Kinderstube

Im Gegenteil zu Ehemännern sind Kinder oft weniger dankbare Esser. Levy Redzepi weigert sich, mehrere Gerichte zu kochen, schließlich leide niemand in ihrer Familie an einer Nahrungsmittelunverträglichkeit. "Meine Kinder müssen alles wenigstens einmal probieren. Wenn sie es dann nicht wollen, ist das in Ordnung."

Wie es aussieht, haben Genta, Arwen und Ro die Leidenschaft ihrer Eltern gelernt. Die beiden Älteren, sieben und zehn, backen schon Brot und streiten sich darum, wer die Vinaigrette zubereiten darf, die Vierjährige patscht auf Naanbroten herum, wie dem Instagram-Account ihrer Mutter zu entnehmen ist. Dessen Fotos, nebenbei bemerkt, ganz und gar nicht den Ansprüchen eines Durschnittbloggers genügen. Umso mehr dafür der Realität in einem Sechs-Personen-Haushalt.

Von ihrer Mutter hat Levy Redzepi den Tipp zum Geschenkeinkauf bekommen: "Kaufe immer etwas, das du auch haben willst." Genauso verhalte es sich mit dem Kochen. Wer tut, worauf er Lust hat, kann nichts falsch machen.

Ihr perfekter Sonntag? Ausschlafen, Fahrrad fahren im Park, bei schlechtem Wetter ins Museum. Wenn sie auswärts essen geht, dann zum Beispiel bei Rosio Sanchéz, einer ehemaligen Noma-Mitarbeiterin. Noch lieber, man ahnte es, kocht Levy Redzepi allerdings selbst. (Eva Biringer, RONDO, 21.12.2018)

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