Kunsthalle Wien

Kurz nach dem Amtsantritt von Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler warf Nicolaus Schafhausen das Handtuch. Der Kunsthallenleiter (seit 2012) hatte als Nachfolger von Gerald Matt das Haus im Museumsquartier beinahe ins Off manövriert. Vor wenigen Tagen endete die Ausschreibung für die neue Direktion: 83 Bewerbungen sind eingegangen. Wie die Zukunft der Kunsthalle aber aussehen könnte, das ließen die politischen Entscheidungsträger offen.

Foto: APA/Georg Hochmuth

Den Karlsplatz nannte man noch Gstätten, als die Kunsthalle 1992 dort aufschlug. Als Provisorium, wohlgemerkt – und als Provokation obendrein. Als "viel zu groß geratene Wellblechbaracke" oder – ihrer blau-gelben Farbe wegen – als "übrig gebliebene Ikea-Kiste" beschimpfte man den Bau. Nicht hübsch zu sein, sondern im Weg zu stehen, darin lag ihre Qualität.

Wie man sie "total in die Kurve geknallt hat, mitten in die Innenstadt", darauf sei sie noch heute klammheimlich stolz, so Ursula Pasterk, die damalige Kulturstadträtin. Die Geburt der Kunsthalle war ein typischer kulturpolitischer Krampf: ein Streit um Architektur und Geld. Auch mehr als 25 Jahre danach ist es nicht anders, allerdings klagen nun nicht Opposition und Feuilleton, sondern sogar die Kunsthalle selbst.

Versinken die Kunsthallen? Sind sie Relikte überholter Konzepte, wie es das Künstlerduo Elmgreen & Dragset ("Traces of a Never Existing History/Powerless Structures, Fig. 222", 2001) dargestellt hat? Fragen, denen sich die Kunsthalle Wien stellen muss.
Foto: Muammar Yanmaz, KÖNIG GALERIE

Die Hülle für die Kunst ist seit 2001 nicht mehr temporär, sondern fix im Museumsquartier verankert. Allerdings nicht dort, wo heute das Leopold-Museum steht, sondern versteckt hinter der Fassade der ehemaligen k. u. k. Reithalle. Niemand vermute dahinter eine Halle für Gegenwartskunst, kritisiert der scheidende Direktor Nicolaus Schafhausen.

Nicht immer war man damit unglücklich. "Aus einem Traum ist Wirklichkeit geworden", frohlockte Ex-Kunsthallenchef Gerald Matt zum Start. Endlich hatte man ein funktionstüchtiges neues Haus. Das schmucklose neutrale Behältnis für die Kunst, der White Cube, sei ein Bekenntnis zum Inhalt.

Die neue kulturelle Nachbarschaft brachte einen Publikumsschub. Im toten Winkel zwischen zwei Museen sitzend, muss man trotzdem um Aufmerksamkeit buhlen. 2005 ließ man türkische Fahnen wehen, eine aufstachelnde Intervention von Künstler Feridun Zaimoglu zu den EU-Erweiterungsgesprächen.

Unter Schafhausen gelang es allerdings immer seltener, die Massen anzulocken. Man warb mit spröden Schriftplakaten inklusive Adlerlogo statt mit starken, die Sinne ansprechenden Ködern.

Mit der Kunsthalle hat Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler zusätzlich zum Volkstheater ein weiteres Sorgenkind, dessen Zukunft völlig neu gedacht werden soll. Die Ausschreibung der Direktion läuft.

83 Bewerbungen, überwiegend internationale, gibt es. Unter den kolportierten Namen sind die freie Kuratorin Joanna Warsza, Florian Malzacher, einst Dramaturg beim Steirischen Herbst und also wie das Kollektiv WHW aus Zagreb in der Zusammenarbeit mit Kaup-Hasler erprobt. Auch die Standortfrage will man mit der künftigen Direktion angehen – neben vielen anderen Punkten. Das Museumsquartier sei kein in Stein gemeißelter Ort, Beweglichkeit auch bei den Institutionen wünschenswert, heißt es.

Welche Optionen gibt es also?

· Hinaus in die Stadt Jahrelang hat man in Zeiten knapper Etats um die Finanzierung des Um- und Ausbaus des Wien-Museums gerungen, da scheint ein Neubau illusorisch. Aber es gilt, der lebendigen, wachsenden Stadt zu begegnen. Könnte eine nomadische Kunsthalle Leerstände in den Außenbezirken bespielen?

Dagegen spricht, dass eine dezentral agierende Kunsthalle Schwierigkeiten haben wird, langfristig Publikum zu binden, ein Profil zu entwickeln und Wiedererkennbarkeit zu schaffen.

Die Halle im Museumsquartier als Homebase zu behalten wäre teuer. Einen Ort zu etablieren, der freien Kuratoren offensteht, würde keine langfristigen Programme ermöglichen. Vielleicht sperrt man aber den unterirdischen Gang zum Museum moderner Kunst endlich auf und schanzt die Räume dem Bundesmuseum zu? Solche Deals zwischen Stadt und Bund sind durchaus denkbar.

· Gar keine Kunsthalle Man könnte natürlich auch beschließen, völlig auf eine städtische Kunsthalle zu verzichten. Ein Teil des frei werdenden Budgets von derzeit gut vier Millionen Euro könnte dann für die oft vermissten großen Festwochenausstellungen verwendet werden. Schließlich hat Pasterk, damals auch Festwochenpräsidentin, die Kunsthalle einst auch als "Ort der bildenden Festwochen" gedacht. Das alles ist höchst unwahrscheinlich. Logischer ist, sich anzuschauen, ob sich die Kunsthalle unter einer neuen Direktion aus ihrem Popularitätstief erhebt.

· Ein neuer Kapitän wird es richten Spricht man von Museen, lauert stets die Gefahr, mehr über ihre Hülle und ihre Verortung zu sprechen statt über Inhalte, mit denen man sie zu füllen gedenkt. Gesucht wird laut Ausschreibung nach Menschen und Teams mit "künstlerischer und gesellschaftspolitischer Vision". Der Wunsch nach lokaler und internationaler Strahlkraft ist Standard. Aber in Reaktion auf derzeitige Defizite pocht man auf Vernetzung mit den Strukturen in Wien, auf den Austausch mit der lokalen Szene. Statt des in Fünfjahresabständen stattfindenden "Lebt und arbeitet in Wien"-Formats, ist der Blick auf österreichische Kunstschaffende fast völlig verlorengegangen.

· Oder zurück in die Vergangenheit? Pasterk hatte sehr klare Vorstellungen: Themenschauen zur Gegenwartskunst, in denen österreichische Positionen sich im internationalen Kontext spiegeln, Ausstellungen, die ins Ausland gehen, und das Füllen einer Lücke zwischen Museen, Galerien und Kunstvereinen. Das wurde eingelöst. Heute ist die Situation aber gänzlich anders. Albertina, Belvedere und KHM – alle zeigen Zeitgenossen. Mit Gegenwartskunst zaubert man selbst den Häusern mit den ältesten Meistern Frische auf die fahlen Wangen.

Einblick in die Ausstellung von Olaf Nicolai in der Kunsthalle Wien 2018.
Foto: Stephan Wyckoff

· Und das Resümee lautet Nicht nur die Konkurrenz regt an, über das Selbstverständnis einer Kunsthalle nachzudenken. Ohne eigene Sammlung operierend, könnte sie experimenteller agieren als arrivierte Häuser. Ein Modell "Mut", wie es etwa die Renaissance Society in Chicago mit viel Gegenwart und Experiment verkörpert. Oder will man lieber das konservative Modell "Nummer sicher", Beispiel Frankfurter Schirn? Das setzt auf die traditionelle Mischung aus klassischer Moderne und Zeitgenössischem und spielt durch Kooperationen mit Centre Pompidou, Tate Gallery oder dem MoMA in der ersten Liga.

Das bürgerliche Repräsentationsbedürfnis schwindet in sich ununterbrochen wandelnden Städten. Wonach sucht der erschöpfte Mensch in einer ebenso komplexen wie rasanten Welt? Auch nach Kulturangeboten mit kompensatorischen Qualitäten. (Anne Katrin Feßler, 21.12.2018)