Claas Relotius hat sieben Jahre lang als Reporter für das deutsche Magazin Der Spiegel gearbeitet. Viele seiner großen Reportagen wurden mit Preisen ausgezeichnet. Viele dieser Reportagen waren zum Teil erfunden. So weit die Kurzzusammenfassung des jüngsten Super-GAUs der Medienbranche.

Der Schaden ist enorm. Nicht nur für das renommierte deutsche Nachrichtenmagazin, sondern auch für den Journalismus weltweit. Wenige Stunden nachdem die Spiegel-Redaktion die Chronologie der Aufdeckung publiziert hatte, gingen Youtube-Videos rechter Verschwörungstheoretiker online. "Fake-News! Wir haben es schon immer gesagt, dass sie euch belügen", heißt es darin hämisch. Relotius' erfundene Reportagen sind Wasser auf die Mühlen jener, die seit Jahren daran arbeiten, die Glaubwürdigkeit von Qualitätsmedien zu untergraben.

Kann man diese noch ohne Misstrauen konsumieren, wenn ausgerechnet jenes Magazin, das für gründliche Recherchen bekannt ist, jahrelang erfundene Geschichten druckt? Man kann, denn es gibt auch gute Nachrichten. Die erste: Der Fall Relotius wurde in der Spiegel-Redaktion selbst aufgedeckt, vom Reporterkollegen Juan Moreno. Moreno hat, obwohl ihm anfangs in der Redaktion nie- mand Glauben schenkte, beharrlich das getan, was der Grundstein eines ordentlichen Journalismus ist: Er hat recherchiert.

Die zweite gute Nachricht: Die Chefredaktion des Magazins geht sehr offen und transparent mit der Causa um und hat eine Kommission eingerichtet, die den Fall Relotius im Detail aufklären soll. Sie setzt auf Transparenz, jene Qualität, die von vielen in der Medienbranche forciert wird, wenn es darum geht, Wege aus der Glaubwürdigkeitskrise zu finden: das eigene Tun erklären, Recherchen nachvollziehbar machen. Andere Redaktionen haben Redaktionsblogs eingerichtet, dazu gehören zum Beispiel Die Zeit mit "Glashaus" oder die Taz mit ihrem "Hausblog".

Diese Innenschau sollte nun einen Schritt weiter gehen. Die jeweilige Redaktionskultur, vor allem aber der Starkult, der um einige Journalisten betrieben wird, ist offen zu hinterfragen. Juan Moreno sagt, er sei vor allem deswegen misstrauisch geworden und habe die Arbeit seines Kollegen Relotius hinterfragt, weil er nicht dem Charme des "Superstars des deutschen Journalismus" erlegen sei. Anderen in der Branche sollte das eine Lehre sein.(Olivera Stajic, 20.12.2018)