Wenn das Geld nicht mehr reicht, um laufende Rechnungen zu begleichen, bleibt es irgendwann kalt und dunkel in der Wohnung.

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Wien – Das Ende von zwölf Jahren Kälte kam mit einem Anruf aus einem Wiener Krankenhaus. Ein 54-jähriger Patient, der stationär aufgenommen wurde und zu Hause eine pflegebedürftige Frau mit einer lebenslangen Behinderung zurücklassen musste, lebte mit dieser seit zwölf Jahren ohne Heizung und Warmwasser. Das Spital meldete sich bei jener Stelle, wo man sich bei der Wien Energie seit nunmehr 2011 um "Kundinnen und Kunden in schwierigen Lebensphasen" kümmert, wie es offiziell heißt. Angela Vaverka hat sich an diesem kalten klaren Wintertag persönlich um den Fall gekümmert.

"Aufsperren!"

"In so einem Fall heißt es zuerst einmal: Aufsperren! Da kommt das Soziale vor allem anderen", erzählt sie in ihrem Büro in der Zentrale des Energieanbieters am Thomas-Klestil-Platz. Vaverka hat die Ombudsstelle für soziale Härtefälle 2011 selbst mitaufgebaut. Sie arbeitete zuvor in der Delogierungsprävention der Caritas.

Eine Beschwerdestelle gab es schon länger, aber innerhalb dieser waren der Rahmen starr und die Zeit der Mitarbeiter knapp, um auf Menschen einzugehen, mit denen es das Leben bisher nicht so gut gemeint hatte. Als Vaverka die Ausschreibung "Sozialarbeiterin für soziale Härtefälle" sah, habe sie das sofort interessiert. Die Idee, sich "die Sozialarbeit ins Unternehmen zu holen", gefiel ihr. "Wir sind keine mediale Ombudsstelle, wo man nur hinschreibt, wir suchen nach Lösungen für individuelle Fälle", erklärt Vaverka. 2011 startete sie mit einer weiteren Mitarbeiterin. Heute besteht das Team, das sie leitet, aus fünf Personen.

Das sei keine Charity-Sache, betont Vaverka. "Wir arbeiten im Spannungsfeld von wirtschaftlicher Notwendigkeit und sozialer Arbeit. Und als kommunales Unternehmen haben wird auch eine gesellschaftliche Verantwortung."

Gemeinsame Lösungen finden

Wenn man vergleiche, was das Unternehmen etwa Gerichtsverfahren, die oft über zehn Jahre laufen können, kosten oder Kunden, die nie mehr zahlen können, dann bringt es etwas, gemeinsam Lösungen wie Ratenpläne, die oft über Jahre laufen, zu erarbeiten, weiß Vaverka.

Rund 20.000 Fälle und 13.000 Haushalte hat ihr Team in den vergangenen sieben Jahren erfolgreich unterstützt. Das beinhaltet auch Hausbesuche und eine intensive Vernetzung mit verschiedenen sozialen Einrichtungen. Denn nur in den seltensten Fällen ist die Zahlung von Strom und Gas das einzige Problem, das Betroffene haben.

Auch im aktuellen Fall des 54-jährigen Wieners, der mit seiner Frau seit Jahren ohne Heizung und Warmwasser lebte, drehte man also zuerst einmal die Wärme wieder auf. Danach sucht man eine Lösung. Eine lange Zeitspanne mitten in Wien unter derart harten Bedingungen zu leben schockiert, ist aber kein Einzelfall.

Zu Hause in der Dunkelheit

Vaverka erinnert sich auch an eine heute 52-jährige alleinstehende Wienerin, die in einer Gärtnerei arbeitete und zu Hause 16 Jahre keinen Strom hatte. "Das müssen Sie sich vorstellen, die hatte sich eine Campinglampe von einer Freundin ausgeborgt, damit sie abends nicht in der völlig finsteren Wohnung sitzen muss. Da hat man dann natürlich auch keinen Staubsauger. Als sie wieder Strom hatte, rief sie mich überglücklich an, weil sie nun ihre Katzen wieder zu sich geholt hatte", erzählt Vaverka. Die Klienten von Vaverkas Team sind sehr oft Alleinerzieherinnen, oft Langzeitarbeitslose, Mindestsicherungsbezieher, alleinstehende Männer, Menschen, die aus einer Obdachloseneinrichtung kommen, Mindestpensionisten und auch Haftentlassene.

"Die meisten sind Multiproblemfälle", sagt Vaverka. Dass sich manche so lange nicht melden oder erst über die Vermittlung einer Sozialeinrichtung, hänge einerseits mit Scham zusammen, oft aber auch mit einer Überforderung. Wenn etwa eine Frau in einer Gewaltbeziehung war, gerade die Wegweisung ihres Ex-Partners erlebte, dann einen Mietrückstand hat und den Strom nicht mehr zahlen kann, habe sie das Gefühl, nichts geht mehr. "Ich sehe dieses Kopf-in-den-Sand-Stecken oft als eine Überlebensstrategie von Menschen, die einfach nicht mehr weiterkönnen", erzählt Vaverka. Viele der Menschen, die sie in ihrer Arbeit kennenlernte, haben das Vertrauen verlernt. Die Erfahrung, dass auch einmal etwas gut ausgeht, ist da extrem wichtig.

Anrufen zum Reden

So ging es auch einer alleinstehenden 71-jährigen, der man vor Jahren geholfen hat und die jetzt noch immer jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit anruft – ohne ein Problem zu haben –, einfach um zu reden. "Bei uns hat sie Verständnis erfahren", erklärt Vaverka die lange Bindung.

Wien Energie betreut rund eine Million Kunden. Dass die Zahl derer unter ihnen, die zu sozialen Härtefällen werden, kleiner werden wird, glaubt Vaverka nicht. "Es geht sich schon jetzt für viele Leute nicht mehr aus, weil die Lebenserhaltungskosten immer weiter steigen. Wir werden es merken, wenn die Mindestsicherung gekürzt wird."

Der Anteil von Menschen in sozialen Krisensituationen an der Gesamtbevölkerung ist in Wien österreichweit am höchsten. 2016 bezogen bundesweit 307.553 Menschen die bedarfsorientierte Mindestsicherung, 173.484 davon in Wien. Nicht genug Geld fürs Heizen haben in Österreich 220.000 Menschen, davon leben 99.000 in Wien. (Colette M. Schmidt, 1.1.2019)