Weihnachten ist das schönste Fest des Jahres, nur wissen das die meisten nicht, weswegen sie melancholisch werden, traurige Lieder singen und sich unterm Nadelbaum streiten, weil es eben alle machen, das scheint seit 2000 Jahren Tradition zu sein: Terror unter der Tanne. Sie stemmen sich gegen Murphys Gesetz, dass schiefgehen muss, was schiefgehen kann. Und je mehr man sich dagegen stemmt, desto eher tritt die Katastrophe ein. Deswegen werden sie von vornherein nicht glücklich und versuchen ihr Unglück mit Alkohol aufzuweichen.

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Nichts gegen Alkohol, Alkohol löst Probleme, aber im Falle der Weihnachtsdepression macht er alles nur noch schlimmer, weil man sich ja immer einredet: "Los, Kiwilikör, hol mich hier endlich raus", man erwartet zu viel, oder aber man setzt ihn bei einem gepflegten Wohnungsbrand ein, entweder als Brandbeschleuniger oder zum Löschen, und das bringt dann wenigstens ein bisschen Stimmung in die Bude, und der eventuell später hinzukommende Löschschaum der Feuerwehr ersetzt dann den fehlenden Schnee des traditionell für die Jahreszeit zu warmen Winters. Aber sowas kann man natürlich nicht planen, und auch wenn man es forciert, hat es den schalen Geschmack der billigen Inszenierung derer, die mit einem Zuwenig an eigenen Ideen gesegnet sind.

Missionarisches Motto

Das größte Problem am Weihnachtsfest indes sind die Geschenke, hier tritt eklatant zutage, dass sich über die meisten kreativerseits auch nicht gerade die Feen gebeugt haben, weil ihr Horizont immer nur so weit geht, dass sie stets von sich ausgehen.

Missionarisches Motto: Was mir gefällt, muss anderen auch gefallen, mein Musikgeschmack ist ganz besonders exquisit, das, was ich lese, müssen andere unbedingt auch lesen, niemals schenkt jemand etwas, was er selbst nicht begreift, denn dann würde er ja als geschmacksresistenter Tölpel dastehen. Und auf der Seite des Beschenkten nur falscher Dank, unterdrückte Ratlosigkeit, keiner der beim geschenkten Weihnachtsoratorium aufstöhnt: "Fucking church shit!" Und um diese Diskrepanz ein bisschen zu entzerren, hat ein kluger Mensch (ich) eine Liste zusammengestellt, ein Fünf-Punkte-Programm, wie Geschenke glücklich machen:

1. Man empfindet mehr Befriedigung, etwas zu kaufen und sich selbst zu schenken, als es geschenkt zu bekommen.

2. Es macht einen glücklich, den Schenkenden wegen seines schlechten Geschmacks zu beschimpfen.

3. Man freut sich, wenn der Schenkende einsichtig ist und zugibt, dass er keine Ahnung und einen schlechten Geschmack hat, Buße tut, Besserung gelobt und anfängt zu heulen.

4. Man begleitet den Schenkenden zurück in den Laden und macht den Verkäufer dafür verantwortlich, dass er etwas so gedankenlos verkauft hat.

5. Man schenkt sich selbst etwas, was einem nicht gefällt, verachtet sich dafür, geht reuig zurück in den Laden und genießt es, wenn sich der Verkäufer schuldig fühlt und zugibt, dass er einem den Schrott nur aus Kommerzkalkül verkauft hat, und anfängt zu weinen.

Diffiziler wird's beim Schenken: Wie schenkt man was und warum eigentlich? Die meisten schenken mit didaktischem Hintergedanken oder deshalb, um ihr kümmerlich ausgebildetes Selbstbewusstsein durch eine eilig und wacklig zusammengezimmerte Generosität zu kompensieren, und wenn Kinder im Spiel sind, um diese ruhigzustellen. Also:

1. Sich überlegen fühlen

2. Erziehen

3. Kompensieren

4. Sedieren

Das sind die vier Koordinaten des Schenkens, und je direkter und transparenter dieses Anliegen erkennbar ist, desto weniger verrenkt man sich. Es hat keinen Sinn, einem Kleinkind einen Goldbarren zu schenken und einem Greis einen Schnuller, obwohl bekanntermaßen der Anfang und das Ende unseres Daseins in puncto Bedürfnisse deckungsgleich werden, dumm, zahnarm und in Windeln geboren, dumm, zahnarm und in Windeln sterben, dennoch kann ein alter Mensch mit einem Goldbarren ebenso wenig anfangen wie ein Säugling, da ist das Äquivalent zum sedierenden Schnuller vielleicht beim Alten ein gut gestopftes Crackpfeifchen. Botschaft ist angekommen, Themenwechsel.

Aber was ist mit der erdrückenden Schar an erwartungsvollen Menschen zwischen diesen beiden Polen? Dieses verlogene, fadenscheinige Mantra "Ach, dieses Jahr schenken wir uns mal gar nichts, sondern einfach nur "quality time" ist so unbefriedigend, weil dennoch am Ende etwas Materialistisches erwartet wird, es auf irgendwas hinauslaufen muss, was aus dieser "quality time" generiert werden könnte, in den meisten Fällen auf schnellen, unkomplizierten Sex ("das ist doch das, was du wolltest"), und ein heranwachsendes Etwas, ein schulpflichtiges, pubertierendes gar, kann möglicherweise mit "quality time" wenig anfangen ("Wie? Spazierengehen? Das ist doch kein Geschenk, das ist eine Strafe!") und ruiniert einem vermutlich den beabsichtigten Themenwechsel, weil irgendwas Ungelöstes noch über der Nichtbescherung lauert (kommt da noch was?), das in der Erwartung immer größer wird, je länger man es hinauszögert. Davon abgesehen, dass man es einem Pubertierenden in gar keinem Fall mit irgendetwas recht machen kann, dass selbst Geld bei dieser Zielgruppe ein unsicheres Interpretationsminenfeld ist und man sich vorwerfen lassen muss, dass man sich doch nur freikaufen will, man doch wenigstens so ehrlich sein könne und einem einen vollkommen unkomplizierten, gemeinsamen Spaziergang hätte schenken können, wenn es einem schon an Schenkkreativität gebricht.

Schenken ist also schwieriger, als Geschenke zu bekommen und sie nicht zu mögen, aber das Beste daraus zu machen (siehe oben). Geschenke zu machen, die man selbst nicht mag, das kann leicht als delegierte Müllentsorgung missverstanden werden, wenn man den zu Beschenkenden zum nützlichen Idioten zu machen beabsichtigt, muss man schon sehr geschickt sein. Einem gerade flügge Gewordenen eine kaputte Waschmaschine für die neue Wohnung mitzugeben kann man allenfalls mit dem Wunsch verbrämen, dass Basteln und Reparieren an etwas, was bereits Lastwagenladungen von Schmutzwäsche sauber gemacht und demnach einen wertvollen biografischen Bezug zu ihm hat, eine prima Beschäftigung für einsame Stunden ist.

Nichts zu schenken ist also schwieriger als etwas schenken, weil man für das Nichts immer auch einen klugscheißenden Kontext braucht, also ist ein richtiges Geschenk noch der gangbarere Weg aus dem Schlamassel. Das faulste Geschenk ist immer ein sogenannter Gutschein. "Hier, Junior, ein Zehnerblock für den Club Pascha im Industrieviertel", wenn schon, dann in Kombination mit einem Zehnerblock für eine Gonorrhoe-Prophylaxe. Oder gleich einen Gutschein für einen Vaterschaftstest, den allerdings der Sohn dem Vater schenkt, oder als Symbol eine Kuckucksuhr dafür, dass man nicht das eigene Kind ist, am besten ohne Erklärung, irgendwann kommt er vielleicht drauf, spätestens nach dem Vaterschaftstest.

Gut sind riskante Geschenke, etwa ein Flug mit einer Linie, die kurz vor der Insolvenz steht. Oder man schenkt einem Vierjährigen eine Kettensäge, da bleibt man wach, das ist der sogenannte Mehrwert, die Zinsen des Risikos. Pathetisch gesagt: des Risikos, das wir Leben nennen, und dazu gehört eben auch Weihnachten, das muss man eben akzeptieren, weglaufen geht nicht, und dazu gehören Geschenke, geschenkte oder nichtgeschenkte, und das damit verbundene Leid und Elend und all die Missverständnisse, also machen wir das Beste draus, mehr Lametta gibt's nicht, Freunde. (Tex Rubinowitz, 23.12.2018)