Autorin eines Romans von "schmerzlicher, unspektakulärer Würde": Eva Geber.

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Es gibt viele Klischees über Lehrerinnen, und es ist das Bequemste, über schlechte Lehrerinnen zu schreiben. Aber wo sind die Bücher über die vielen wunderbaren Lehrerinnen, die es gegeben hat und die es heute gibt? Eine der mutigsten, die es je gegeben hat, dürfte Louise Michel (1830-1905) gewesen sein. Eva Geber hat ihre Biografie in einem aufregenden dokumentarischen Roman in Ichform erzählt.

Der Titel, den sie gewählt hat – Die Anarchistin und die Menschenfresser -, lässt vielleicht eine politische Groteske erwarten. Der Text erweist sich als überlegt komponierter Bildungsroman, der die Geschichte eines allseitig gebildeten, vom Lernen und Lehren zeitlebens faszinierten Menschen erzählt. "Nur" dass sich bei der Lehrerin und Kommunardin Louise Michel das Ideal des humanen Menschen im Kampf für die soziale Revolution erfüllte. Für die reaktionäre französische Presse und die Kirche wurde sie zu einem der meistgehassten Menschen ihrer Zeit.

Diesen Hass rief vor allem hervor, dass sie Frau war, eine der politisch bewusstesten des 19. Jahrhunderts, Lehrerin, Feministin, Anarchistin, Kämpferin für die Pariser Commune im Frühjahr 1871 – mit anderen Worten: "rote Furie", "Flintenweib", "männermordende Bestie", "Menschenfresserin".

Der Grundimpuls von Michels sozialem Engagement ging vom Mitgefühl mit der Kreatur aus. Geber hat ihre Solidarität mit den lebendigen Wesen und ihren Begriff vom lebendigen Wort im paradiesischen Erinnerungsbild der Zusammenkünfte im brüchigen Saal des großväterlichen Schlosses von Vroncourt dargestellt: Die verarmte Großfamilie, vor allem Frauen, ist an den langen Winterabenden am Kamin versammelt, der Großvater liest aus den Büchern Rousseaus, Voltaires und aus der Enzyklopédie vor, und um den Kamin lagern sich auch die Tiere, die bei den Menschen Wärme suchen, sogar das Wild, die Kaninchen, ein junges Wildschwein und im Hintergrund ein Wolf, weiß Gott, von woher gekommen. Als der Großvater 1845 stirbt, sieht sich das poetisch hochgestimmte Mädchen nach einer anderen Mentorengestalt um und findet sie in keinem Geringeren als Victor Hugo, den sie als 15-Jährige anschreibt. Er antwortet ihr, und eine mehrere Jahrzehnte dauernde Brieffreundschaft beginnt.

Die spätere feministische Anarchistin, die Kommunardin, war auch in der Frage des Kolonialismus weitsichtiger und umfassend sozialer als viele ihrer Mitkämpfer, wenn sie die unterdrückten Ureinwohner der Kolonien – "die Menschenfresser" – in ihr Verständnis von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit einbezog.

Als sie 1873, in der Folge des staatlichen Terrors nach der Niederlage der Commune de Paris Ende Mai 1871, nach den grauenhaften Massakern an den Aufständischen, in ein Straflager in Neukaledonien deportiert wurde, war sie eine der wenigen Deportierten, die freundschaftlichen Kontakt zu den als Menschenfressern verschrienen Ureinwohnern der Insel aufnahmen. Die Tochter der Magd und des Herrn von Schloss Vroncourt in der Haute Marne, die ab 1855 in Paris als Lehrerin und dann als Schulleiterin tätig war, unterrichtete nun, nachdem sie selbst die Sprache der Kanak gelernt hatte, die Stammesmitglieder.

Sie nimmt ihre Beschreibungen der Pflanzen und Tiere und ihre ethnografischen Studien wieder auf, sammelt die "Légendes et chansons" der indigenen Urbevölkerung und wird zu den wenigen unter den deportierten Revolutionären gehören, die 1878 auf der Seite der Eingeborenen standen, als sich diese gegen die französische Kolonialmacht erhoben. Hundert Jahre nach Goethes Iphigenie, nach den Büchern Johann Gottfried Herders und Alexander von Humboldts, führt eine Strafgefangene und Verbannte die klassische Idee des allseitig gebildeten, der Welt sich öffnenden Menschen weiter.

Später, nach siebenjähriger Verbannung, ab 1880 wieder in Frankreich, fand sie mit ihren Vorträgen und Büchern großes Echo, ohne sich je an die neue politische Herrschaft anzupassen. Ihre pädagogische Utopie, dass sich alles in einem Leben miteinander verbinden lasse und revolutionäre soziale Politik, Bildung, Alltag und Familie zusammengehörten, gab sie nie auf – auch nicht die kritische Beschäftigung mit ihren Erfahrungen mit der Pariser Commune, deren Geschichte sie dokumentierte.

Dass Eva Geber Michels Berichte von der Vorgeschichte und Verlauf ihres Kampfes, dass sie die Wünsche und Ziele dieser einzigartigen sozialen Erhebung, auch das Eingeständnis und die Untersuchung der Fehlentscheidungen und Vergehen der Kommunarden, in den Mittelpunkt ihres Buchs stellte und dass sie das Grauen der mörderischen Rache des restaurierten bürgerlichen Staats beschrieb, verleiht diesem Buch seine schmerzliche, unspektakuläre Würde. Und nicht zuletzt werden Leserinnen und Leser, wie der Rezensent, auch die ungekünstelte österreichische Prosasprache dieses Buchs zu schätzen wissen. (Hans Höller, 23.12.2018)