Kaum ein anderes Land steht weiter oben auf Donald Trumps roter Liste als China. Das hat ökonomische Folgen: Der internationale Druck auf den Elektronikkonzern Huawei steigt, zuletzt wurde dessen Finanzchefin in Kanada verhaftet. Das Unternehmen wird nicht zum ersten Mal verdächtigt. Doch Huawei betont beharrlich seine Unabhängigkeit.

Die temporäre Festnahme von Finanzchefin Meng Wanzhou in Kanada sorgte für ein neues diplomatisches Tief zwischen den USA und China. Schon zuvor hatte sich Huawei auf Druck der US-Regierung weitgehend vom amerikanischen Markt zurückgezogen. US-Behörden sehen in Huaweis Geräten eine Gefahr für die nationale Sicherheit. Zudem soll Huawei auch internationale Sanktionen gegen den Iran unterlaufen haben. Dieser Vorwurf hatte bereits zu schweren Sanktionen gegen die ebenfalls chinesische IT-Firma ZTE geführt.

Huawei ist mittlerweile der größte Netzwerkausrüster der Welt und einer der größten Smartphone-Hersteller.
Foto: AFP

"Prächtige Errungenschaft"

Doch was für ein Unternehmen ist Huawei eigentlich? Der Name bedeutet, je nach Lesart, "prächtige Errungenschaft" oder "China schafft es". Bekannt ist der Konzern vor allem für Smartphones, die in den letzten Jahren am Handymarkt rasant an Präsenz gewinnen konnten. Sowohl international als auch in Österreich ist Huawei die Nummer zwei hinter Samsung, noch vor Apple. Die Palette an Geräten ist breit. Man bedient alle Segmente, vom billigen Einsteigerhandy bis zum teuren Highend-Flaggschiff. Mit Honor hat Huawei zudem eine zweite Marke im Rennen, die vorwiegend auf jüngeres Publikum abzielt.

Der internationale Vorstoß auf dem Handymarkt ist vergleichsweise neu. Die Wurzeln der Firma liegen im Bereich der Telekom-Infrastruktur. Gegründet wurde der Konzern 1987 in Shenzhen von Ren Zhengfei (74). Er stammt aus der bergigen Region Guizhou und war davor als Entwickler für die Volksbefreiungsarmee und in der Logistik der Shenzhen South Sea Oil Corporation tätig war. Heute ist er als Vizechef des Vorstands und Präsident neben den drei rotierenden CEOs immer noch stark in die Führung der Firma involviert. Sein Vermögen wird von Forbes auf 3,1 Milliarden Dollar geschätzt.

Gründungsmythos

Zuerst entwickelte Huawei Telefonschaltungen, indem Produkte anderer Hersteller zerlegt und nachgebaut wurden. Das war damals ein unüblicher Zugang, wurde doch derlei Technologie bis dahin vor allem aus dem "Westen" importiert. Politisch passte die Ausrichtung ins Konzept. Denn in den 1980er-Jahren begann China, massiv in die Erneuerung seiner nur rudimentär entwickelten und großteils veralteten Telekom-Infrastruktur zu investieren.

Huaweis Gründungskapital soll lediglich 21.000 Yuan betragen haben, was inflationsbereinigt einem aktuellen Gegenwert von rund 5000 Euro entspricht. Laut einem Bericht der Far Eastern Economic Review hat Huawei durch eine staatsnahe Bank allerdings auch einen Kredit erhalten, der heute 16,5 Millionen Euro wert wäre. Der Konzern selbst bestreitet, dass es dieses Darlehen je gegeben habe.

Das aktuelle Spitzenhandy von Huawei ist das Mate 20 Pro.
Foto: derStandard.at/Pichler

Aufstieg zum Netzwerkriesen

Die Netzwerkgeräte stecken aber nicht nur in chinesischer Infrastruktur. Auch international finden die Produkte breiten Einsatz. Nach eigenen Angaben operiert Huawei mit 180.000 Mitarbeitern in über 170 Ländern. Die Hardware steckt auch in Österreichs Mobilfunknetzen. Als im letzten Jahrzehnt der Mobilfunkstandard 3G populär wurde, waren es oft USB-Modems von Huawei, welche die Kunden an PC und Laptop anschlossen, um drahtlos ins Internet zu kommen.

Das bisherige Wachstum schlägt sich auch in der Bilanz der Firma nieder. 2017 erzielte man einen Jahresumsatz von 81 Milliarden Euro, womit man das Ergebnis binnen zehn Jahren fast versiebenfacht hat. Aus einem oft als Nachahmer betrachteten Unternehmen ist der größte Netzwerkausrüster der Welt geworden. Und er hat mittlerweile beachtliches Know-how.

Bande nach Peking

Wie alle größeren Unternehmen, auch ausländische, betreibt Huawei eine eigene Einheit für die Kommunikation mit Chinas kommunistischer Einheitspartei. Von internationalen Konzernen wurde diese Verpflichtung lange als Formalität betrachtet. Offiziell sollen die Politdivisionen die Kommunikation mit offiziellen Stellen und die Erfüllung regulatorischer Vorgaben erleichtern, ohne Relevanz für das Tagesgeschäft.

Verschiedene Unternehmen beklagen jedoch unter der Hand seit einiger Zeit, dass die Regierung versuche, sich über diese Organisationen größeren Einfluss zu verschaffen. Im August 2017 hielten mehr als ein Dutzend europäischer Firmen daher eine strategische Tagung in Peking ab. Der Chef eines Herstellers mit Standort in Südchina berichtete anonym gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass versucht worden sei, die Anstellung weiterer Parteimitglieder durchzusetzen und Einfluss auf Investitionen auszuüben.

Bei Huawei gibt es jedenfalls offensichtliche Bande in die Politik. Firmengründer Ren Zhengfei ist längst Mitglied der kommunistischen Partei. Finanzchefin Meng Wanzhou, die als "Thronfolgerin" gehandelt wird, ist seine älteste Tochter. Der für die Firma zuständige Parteisekretär, Zhou Daiqi, führt die Abteilung für Ethik und Compliance. Er vertritt das Unternehmen auch öfters bei Deals auf politischer Ebene in China – etwa, wenn man sich mit einer Regionalverwaltung auf die Errichtung eines Datenzentrums einigt.

Sorgenkind

Peking hat auf die Festnahme von Wanzhou ausgeprochen verschnupft reagiert. Die Behörden haben seitdem mehrere kanadische Staatsbürger in China festgesetzt. Man wirft ihnen "Gefährdung der nationalen Sicherheit" vor. Viele Beobachter sehen darin einen Vergeltungsakt, der freilich nicht gerade dazu geeignet ist, die Unabhängigkeit Huaweis von der Regierung zu untermauern.

Huawei-Gründer Ren Zhengfei werden gute Bande nach Peking nachgesagt. Als Thronerbin gilt seine älteste Tochter und Finanzchefin, Meng Wanzhou.
Foto: Huawei & AP, Collage: Standard

Huaweis Expansion in den Westen war immer wieder von Ängsten begleitet, man könnte sich mit dem Engagement des chinesischen Konzerns auch unerwünschte chinesische Überwachung einkaufen. Dennoch war das Unternehmen in zahlreichen Ländern federführend an der Einführung von mobilem Breitbandinternet beteiligt. In Europa bekam Huawei erstmals 2004 über einen Vertrag mit dem niederländischen Provider Telfort einen Fuß in die Tür, für den man ein nationales 3G-Netz aufbaute. Weitere Länder folgten bald.

2008 wollte Huawei groß beim US-Konzern 3Com einsteigen, der Deal scheiterte aber an Sicherheitsbedenken in Washington, D.C. In Indien beschloss die Regierung 2009 aus dem gleichen Grund, dass bei der Aufrüstung der Netze kein Equipment von Huawei angekauft werden dürfe. 2010 brachte der Konzern jedoch seine Smartphones auf den boomenden Markt, die dort guten Absatz erzielen. 2013 tauchte Huawei in einem Bericht des US-Kongresses auf, in dem die Firma als Risiko für die Cybersicherheit des Landes dargestellt wird. Andernorts liefen die Geschäfte aber weiter prächtig.

5G-Zukunft unklar

Der Erfolgslauf ist nun ins Stocken geraten. Dem Druck der USA folgend, steht Huawei in verschiedenen Ländern vor einem Ausschluss von der anstehenden Errichtung von 5G-Netzen. Darunter sind Australien, Neuseeland, Japan sowie zuletzt auch Tschechien. In Indien wird ebenfalls ein Verbot diskutiert. EU-Technologiekommissar Andrus Ansip stufte Huawei und andere chinesische Ausrüster als Risiko für Wirtschaft und Sicherheit ein.

Österreichs Regierung hat zur Causa Huawei noch keine Position formuliert, die Netzbetreiber geben sich allerdings bedeckt. T-Mobile verweist auf die bisher erfolgreiche, zehnjährige Zusammenarbeit mitHuawei und bewertet aktuell die eigene Beschaffungsstrategie neu. Netzbetreiber 3 sieht "keine Indizien", die die Vorwürfe gegen Huawei untermauerten. Das Equipment spiele in den eigenen Netzen aber nur eine kleine Rolle, bezüglich 5G gibt es noch "keine konkreten Ausbaupläne mit Huawei". A1 greift insgesamt auf vier Netzwerkausrüster, inklusive Huawei, zurück, verweist aber auf Nokia als wichtigsten Partner. Hinsichtlich der Pläne für 5G gibt derzeit keiner der Betreiber Auskunft.

Der Konzern selbst weist alle Vorwürfe, als Handlanger für die chinesische Regierung zu dienen, energisch zurück. Andererseits versucht Huawei, verlorenes Vertrauen zu stärken. Das sich sonst sehr verschlossen gebende Unternehmen lud vor wenigen Tagen dutzende internationale Journalisten in seinen neuen Campus in der südchinesischen Stadt Dongguan ein. Die zentrale Botschaft an die Gäste: In den kommenden fünf Jahren will Huawei zwei Milliarden Dollar in die eigene Cybersicherheit investieren. Ob mit massiver technischer Aufrüstung auch alle politischen Bedenken gegen den chinesischen Vorzeigekonzern ausgeräumt werden können, bleibt fraglich. (Georg Pichler, 23.12.2018)