Bild nicht mehr verfügbar.

Wenn es heikel wird, zeigt Volkswagen seinen Kunden nicht den Auspuff. Man will richtungsweisende Urteile von EU- oder Höchstgerichten vermeiden.

Foto: dpa

Die in Österreich und Deutschland angelaufenen Sammelklagen gegen Volkswagen in der Causa Abgasmanipulation beginnen Wirkung zu entfalten, ehe sie vor den Gerichten verhandelt werden. Ein vor dem Landesgericht Linz laufendes Einzelverfahren gegen einen VW-Händler in Oberösterreich endete am Donnerstag mit einem Paukenschlag: Der zu hundert Prozent im Eigentum der Volkswagen AG stehende und von Volkswagen schadlos gehaltene VW-Händler anerkannte die eingeklagte Forderung eines in die Irre geführten Autokäufers. Es erging ein in der Rechtsprechung seltenes Anerkenntnisurteil.

Das ist eine absolute Novität in den weit mehr als 300 Klagsverfahren, die von geschädigten Autokäufern in Österreich angestrengt wurden. Bisher hatte es der Österreich-Ableger von Volkswagen, die Porsche Holding in Salzburg, stets akribisch vermieden, auch nur den Anschein eines Forderungs- oder gar Schuldanerkenntnisses zu erwecken. Bisweilen erfolgten die in der Regel überaus großzügigen Vergleichsangebote im Wege eines "Fahrzeugeintausches" und "ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen". Es sei jedenfalls "kein Anerkenntnis der geltend gemachten Ansprüche abzuleiten", so die Diktion.

Über die Gründe für den Sinneswandel darf trefflich spekuliert werden. Eine Stellungnahme gab es seitens des Generalimporteurs, der Porsche Holdig in Salzburg, am Freitag nicht. In ähnlich gelagerten Fällen wurde in der Vergangenheit stets darauf verwiesen, dass es sich lediglich um ein Einzelverfahren ohne Präzedenzwirkung handelte, das man nicht kommentiere.

Premiere in Österreich

Das freilich wäre reichlich untertrieben, denn das Anerkenntnisurteil ist vielleicht kein Dammbruch, aber doch eine Premiere im Abgasskandal in Österreich. Das sohin beendete Verfahren am Landesgericht Linz war an ungewöhnlichen Wendungen keineswegs arm. Im November 2017 wurde dem Kläger, einem oberösterreichischen Fahrzeughalter, der sich im April 2015, also fünf Monate vor Ausbruch des Dieselabgasskandals, einen VW Tiguan gekauft hatte, ein Umtausch auf ein fast doppelt so teures Modell angeboten. Dies wohl eher nicht aus Großmut, sondern um eine Klage vom Juli 2016 vom Hals zu bekommen – und mit ihr ein Gutachten eines renommierten Verbrennungsmotor-Experten und Gerichtssachverständigen über die Wirkungsweise der von VW eingebauten Manipulationssoftware, die vom deutschen Kraftfahrtbundesamt (KBA) als unzulässige Abschalteinrichtung qualifiziert worden war.

Der angestrebte Vergleich, mit dem VW der Vorlage des Sachverständigengutachtens bei Gericht zuvorkommen wollte, kam nicht zustande, weil der Besitzer des VW Tiguan Licht ins Dunkel des Abgasskandals bringen wollte, wie er im November 2017 sagte.

Der Test, bei dem der Gutachter, vereinfacht ausgedrückt, die Schummelsoftware auf dem Rollenprüfstand austrickste, indem eine Straßenfahrt im "Schmutzmodus" simuliert wurde und so gravierende Überschreitungen der Abgaswerte im Fahrbetrieb nachgewiesen wurden, landete also doch vor Gericht, das in der Folge auch das vom KBA verordnete Software-Update als mangelhaft qualifizierte. Letzteres, weil dieses nur bei Temperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius wirksam ist, was hierzulande lediglich im Früh- und Spätsommer der Fall ist.

VW zahlte alles

Die weitere Vorgangsweise des Erstrichters erhöhte den Druck auf VW weiter: Um Klarheit in der technisch reichlich komplizierten Causa mit europäischer Dimension zu erhalten – in 6,8 Millionen Fahrzeugen von Volkswagen war in Europa die sogenannte Schummelsoftware eingebaut -, legte der Richter die Causa dem Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg vor und erbat eine Vorabentscheidung, ob das Softwareupdate tatsächlich eine Verbesserung darstellt, wenn es die meiste Zeit des Jahres abgeschaltet und damit wirkungslos ist.

Diese Vorabentscheidung suchte Volkswagen mittels Zahlungen in Höhe des Vergleichsangebotes aus der Welt zu schaffen, man übernahm sogar an die hunderttausend Euro an Kosten für Gericht und Gutachten. Das freilich befriedigte wohl die Ansprüche des Klägers, genügte aber dem Richter nicht. Er verlangte Volkswagen darüber hinaus die Anerkennung der eingeklagten Forderung des in die Irre geführten Autokäufers ab, sagt Klägervertreter Alexander Holzleitner von der Kanzlei Poduschka in Linz. Andernfalls wäre das Gericht der Europäischen Union erneut mit den offenen Fragen zu befassen. Mit dem Anerkenntnisurteil vom Donnerstag ist die Sache nun endgültig vom Tisch. "Weihnachten dürfte tatsächlich ein Fest der Einsicht sein, auch für die Familien Porsche und Piëch", sagt sein Kollege Michael Poduschka. Mache dieses Beispiel Schule, würden nicht nur Österreichs Gerichte entlastet. "Die Volkswagen AG würde endlich wirklich zu ihrer Verantwortung für die von ihr durch Täuschungen angerichteten Schäden stehen." (Luise Ungerboeck, 21.12.2018)