Die Schatten der Arbeitsmarktspaltung sind deutlich zu sehen.

Foto: APA/Patrick Pleul

Die unteren Einkommen sind in den letzten Jahren am stärksten gesunken. Die Lohnschere zwischen Arm und Reich ist weiter aufgegangen. Wer solche oder ähnlich plakative Formulierungen im neuen Einkommensbericht des Rechnungshofs sucht, wird rasch fündig. Das Erstaunliche: Zahlreiche Daten weisen auf eine gegenteilige Entwicklung hin. Letztlich kann man mit den Daten fast jede gewünschte Aussage untermauern.

Ein Beispiel gefällig? Die unteren Einkommen sind zwar gefallen, gleichzeitig aber auch gestiegen. Wie das gehen soll? Stark ins Gewicht fällt bei den Berechnungen des Rechnungshofs die Frage, ob alle Beschäftigungsverhältnisse oder nur Personen betrachtet werden, die im Vergleichszeitraum den gleichen Job hatten. Zieht man das gesamte unterste Einkommenszehntel heran, kam es inflationsbereinigt in den vergangenen 20 Jahren zu massiven Verlusten von gut 30 Prozent.

Dauerjobs besser bezahlt

Der Rechnungshof hat aber auch Daten parat, die ein Licht auf die untersten Einkommensbezieher mit konstanten Jobs werfen. Unter jenen, die in den letzten Jahren einen gleichbleibenden Arbeitsplatz hatten, schnitt das unterste Einkommenszehntel mit einer Steigerung der Bruttoverdienste seit 2014 von 20 Prozent am besten ab.

Hier wurde die Teuerung nicht berücksichtigt, real fällt der Zuwachs also viel kleiner aus. Das ändert aber nichts daran, dass die mittleren und höheren Einkommen mit rund 15 Prozent langsamer wuchsen.

Woran liegt nun diese extreme Spreizung? Vor allem daran, dass der Lohndruck bei neuen und prekären Jobs besonders groß ist. Hier spielt auch die massive Zuwanderung eine Rolle, die zu einem Gutteil im Niedriglohnsektor stattfindet. Es kommt also zunehmend zu einer Spaltung des Arbeitsmarktes: Relativ gut bezahlten, fixen Jobs stehen Stellen mit häufigen Unterbrechungen gegenüber, die schlecht entlohnt sind.

Instabile Jobs wachsen

Diese Spaltung wurde im Vorjahr durch eine Wifo-Studie belegt. Demnach umfasst der instabile Jobsektor bereits mehr als ein Drittel aller Stellen am Arbeitsmarkt. Und in diesem Bereich ist der Lohndruck auch am größten. Migranten aus den osteuropäischen EU-Ländern spielen in diesem Segment eine große Rolle.

Ein anderer Vergleich bestätigt diese Entwicklung. Bei den Medianeinkommen (eine Hälfte der Beschäftigten liegt über dem Wert, eine darunter) kam es in Österreich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu Realverlusten von drei Prozent. Wenn die Beschäftigung vor allem im Niedriglohnsektor steigt, sinkt der Median. Auch eine Mutter, die nach der Karenz einen mäßig bezahlten Teilzeitjob annimmt, drückt den Wert. Ärmer wird deshalb niemand.

Frauen holen auf

Die Spaltung des Arbeitsmarktes lässt sich anhand eines weiteren Beispiels veranschaulichen. Während die Löhne nach Abzug der Inflation seit 2004 stagnierten, kam es bei Vollzeitjobs zu einem Anstieg um respektable sieben Prozent. Das zeigt, dass neben dauerhaften Jobs auch Vollzeitarbeit die Verdienstentwicklung begünstigt. Wenn Frauen nicht Teilzeit arbeiten, sind ihre Einkommenszuwächse sogar deutlich höher als die der Männer. Die realen Bruttoverdienste legten mehr als zweimal so stark zu wie jene der Männer. Aus der Statistik im Rechnungshofbericht erschließt sich zudem, wie stark der Gender-Pay-Gap durch Teilzeit verursacht ist. Während Frauen insgesamt nur 77,5 Prozent des Männereinkommens erreichen, macht der Anteil bei Ausklammerung der Teilzeit 84,4 Prozent aus.

Dass die Einkommensstatistik vielschichtig ist, zeigt auch der Vergleich von Angestellten, Arbeitern und Beamten. Bei Letzteren stiegen die realen Nettoverdienste in den vergangenen 20 Jahren um 27 Prozent, während jene der Arbeiter um 13 Prozent schrumpften. Das hängt stark damit zusammen, dass kaum noch pragmatisierte Staatsdiener nachrücken und die verbleibende Beamtenschaft immer älter wird. Bei den Angestellten, die im Unterschied zu den öffentlich Bediensteten im Durchschnitt nicht älter werden, kam es zu moderaten Einkommenszuwächsen. (Andreas Schnauder, 21.12.2018)