Still, aber angespannt hängt sie kopfüber da, fest fixiert von zwei Händepaaren. Das eine legt sich um den Hals – nicht zu fest, damit sie nicht erstickt – das andere umspannt die Flügelansätze. Messerspitze an der Kehle ansetzen, durchstechen, ganz knapp unter der Wirbelsäule, die man durch das weiche Gefieder fühlt. Gurgel und Kehle durchzuschneiden geht leicht, aber die Spitze des frisch gewetzten Messers muss sitzen. Rasch die Hand umdrehen, fest den Daumen auf das Genick drücken und umdrehen. Leise macht es Knacks. Tot ist die Gans jetzt nicht. Nur betäubt. Vom Sterben merkt sie nichts mehr.

In der guten Stube bei den Wiesners im Wischathal. Zuerst gibt es die Theorie. Christoph Wiesner (links) erklärt was, warum, wie, später im Hof zu geschehen hat.
Foto: Robert Newald

Damit das Blut aus dem Körper rinnt, muss das Herz schlagen. Ein Tier stirbt durch den Blutverlust. Tot ist es, wenn es ausgeblutet ist. So hat es Christoph Wiesner erklärt und vorgezeigt, wie man beim Schlachten vorgeht. Am besten im Team – einer hält, einer sticht. Der 47-Jährige bewirtschaftet mit seiner Frau Isabell die Arche de Wiskendale, einen Biobauernhof im Weinviertel. Man kann bei den Wiesners selbst schlachten. Vincent hat den Kurs von seiner Freundin Silke geschenkt bekommen, Werner isst gerne Geflügel und will genau wissen, was passiert, ehe es bei ihm in der Küche landet. Thomas war schon einmal zum Schweineschlachten hier.

Dass die Gans erst nach Messerstich und Genickbruch mit den Flügeln zu schlagen beginnt, weiß er bereits. Es sind die Nerven, die noch zucken. Zu Weihnachten wird sie den Gästen wohl besonders gut schmecken. Kenner schwören auf das Fleisch stressfrei geschlachteter Tiere, nicht nur Christoph Wiesner. Der ehemalige Bauunternehmer und seine Frau nehmen es besonders genau.

Was ist zu tun? Christohp Wiesner (im blauen Overall) und seine Frau Isabell (in der bunten Jacke) zeigen vor, wie es geht.
Robert Newald

Wiesners züchten hier in Wischathal alte Rassen, solche, die für die Fleischindustrie nicht lukra- tiv sind: Altsteirer, Sulmtaler, Hausgänse, Aylesburyenten, Mangalitzaschweine. 120 Schweine sind es derzeit. Die Zusammensetzung am Hof ist, abgesehen von den sechs Familienmitgliedern, nicht immer gleich.

Das kleine Ferkel ist noch namenlos. Derzeit ist es im Leo.
Robert Newald

Derzeit zieht Isabell Wiesner ein Mangalitzaferkel mit der Flasche auf. Die Muttersau hat es verstoßen. Gut möglich, dass es noch länger lebt: "Das Ferkel ist jetzt im Leo", sagt Isabell.

Anders als die Artgenossen und das Geflügel, das nur am Hof geschlachtet wird. Wegen der Fleischqualität. Da sind die Wiesners kompromisslos. Jeden Stress produzierenden Moment könne man am Fleisch ablesen, sagt Christoph Wiesner. Deswegen ist eine Schlachtung gut geplant. Während der Gans der Kragen umgedreht wird, hält Werner seiner Ente die Augen zu.

Damit das Blut aus dem Körper rinnt, muss das Herz schlagen. Ein Tier stirbt durch den Blutverlust. Das ausbluten dauert etwa drei Minuten.
Robert Newald

Langsam wird aus dem Strahl, der aus der Kehle der Gans in einen Kübel mit Getreidekörnern spritzt, ein langsames Tropfen. Ein leichter Geruch nach Blut und Fleisch liegt in der Luft. Die Körner färben sich rot. Sie werden später verfüttert. An diesem Sonntag werden neben der Gans eine Ente und drei Hühner sterben, geboren wurden sie allesamt im heurigen Frühjahr. Sie sind schon im Besitz der Kursteilnehmer, die das Geflügel lebend auf dem Hof kaufen. Bei Hausschlachtungen darf man laut Gesetz nur Tiere töten, die einem selbst gehören.

Werner schneidet konzentriert seiner Ente die Kehle durch – als hätte er nie etwas anderes gemacht. Die Stimmung ist heiter. Schlachtnovizen erkennt man dennoch sofort. Vincent, "ein echter Wiener und Fleischliebhaber", hat keine Erfahrung mit dem Töten von Tieren und entschuldigt sich bei seinem Huhn, weil er das Messer nicht gleich richtig ansetzt. Das Tier gibt einen kleinen Laut von sich. Krähen wäre zu viel gesagt, Seufzen zu wenig.

Isabell Wiesner tröstet ihn: "Diese Tiere hatten ein schönes Leben, im Vergleich zu vielen ihrer Artgenossen." Ihr Mann findet die Entschuldigung bemerkenswert. "Es gibt für alles ein erstes Mal", sagt er ein wenig verwundert.

Alle Tiere sind ausgeblutet. Jetzt gibt es noch viel Arbeit. Rupfen, ausnehmen, das dauert noch einmal gut zwei Stunden.
Robert Newald

Im Stall hört man das Schnauben einer Kuh, ein Kalb liegt neben der Mutter im Stroh. Das Pferd in der Scheune macht keinen Mucks. "Pferde sterben am leisesten", sagt Isabell Wiesner. In der eingezäunten Wiese um die Ecke gackert ein Huhn, eine Katze beobachtet aus der Ferne aufmerksam das Treiben. Im Hof stehen sauber geschrubbte Holztische, darauf Messer mit bunten Griffen, die später beim Ausnehmen zum Einsatz kommen, daneben ein Riesenbottich mit flüssigem Wachs.

Ein Bad im Wachs. Danach kann man die Daunenstummel gut ausrupfen.
Foto: Robert Newald

Auch die Gans wird hier nach dem Rupfen gebadet, die letzten Daunenreste lassen sich dann gut auszupfen. Silke, die Vegetarierin, zuckt nicht mit der Wimper und hilft tatkräftig mit. Nach gut einer Stunde ist der erste Akt vollbracht. Alle Tiere hängen ausgeblutet – fast möchte man sagen ganz entspannt – an einem galgenähnlichen, rostfarbenem Metallgestell. Weiß neben braun, ein ästhetischer Anblick. So, wie man es als Konsument gerne hat.

Die Trennung von Tier, Tod und Fleisch funktioniert für die Durchschnittskonsumenten im Supermarkt einwandfrei. Das Töten der Tiere geschieht in Schlachthöfen. Unter (in der Regel) professionellen, hygienischen Bedingungen. Abgesehen von einigen Skandalen funktioniert das wohl. Von Wohl und Wehe der Tiere beim Transport und am Schlachthof will man lieber gar nicht zu viel wissen. Dabei litten die Tiere unter diesen Bedingungen unter enormem Stress, sagt Christoph Wiesner. Um diesen zu vermeiden, müsste man sie eigentlich zwanzig Mal zum Schlachthof und dann wieder nach Hause in den Stall führen. Erst beim 21. Mal könne man es dann weitgehend stressfrei töten.

Hier wird die Gans gerupft. Davor musste sie ins heiße Wasser.
Robert Newald

Mit der Realität industrieller Schlachtung hat das freilich wenig zu tun. Die Zahl der Tiere, die in Österreich nicht in Schlachthöfen geschlachtet werden, liegt im Promillebereich. Ein bratfertiges Hendl ist beim Diskonter um zwei Euro zu haben, eine ungarische Gans um knapp zehn.

Wiesners Vogel kostet das Vierfache. Romantik kann man sich aber auch als Biobauer nicht leisten. Eine artgerecht gehaltene Gans wird zwischen der neunten und 32. Lebenswoche geschlachtet, nur unser Weihnachtsbraten durfte ein wenig älter werden.

Eine Hausgans könnte 15 Jahre alt werden, aber das wäre zu kostspielig. Jede Lebenswoche mehr schlägt sich auf die Biobauern-Börse. Hier wird bis zum letzten Gramm Fett alles verwertet, in stundenlanger Arbeit. Alleine deswegen bezahlen Werner, Vincent und alle anderen den hohen Preis gern. Aber ein bisschen auch wegen des relativ friedlichen Sterbens. (Regina Bruckner, 22.12.2018)