"Mir ist egal, wer unter mir Minister ist", ließ sich vor Jahren ein selbstbewusster Sektionschef vernehmen. Die österreichische Hochbürokratie – meist liberal gesinnt, aber absolut loyal, hochqualifiziert, nicht korrupt – war seit Jahrhunderten, in Monarchie und Republik, das Rückgrat des Staates.

Diese Epoche scheint nun vorbei zu sein. Nach der Sozialpartnerschaft ist auch die zweite Säule der österreichischen Identität, das Beamtentum, ins Wanken geraten. Nicht mehr die Profibeamten haben in der türkisblauen Republik in den Ministerien das Sagen, sondern die Kabinettsmitarbeiter und Generalsekretäre.

Beamte im höheren Dienst sind unkündbar. Ein Privileg, das ihnen eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber den Ministern verschaffte. Nach dem neuen Dienstrecht werden die Sektionschefs heute aber nur noch auf fünf Jahre bestellt. Wer seine Dienstperiode verlängert sehen möchte, darf sich also nicht mehr allein dem Allgemeinwohl verpflichtet fühlen, sondern muss auch bestrebt sein, dem Minister zu gefallen.

Aber dieser stützt sich ohnehin nicht mehr in erster Linie auf seine Spitzenbürokraten, sondern auf seine persönlichen Mitarbeiter, meist Burschenschafter in den blauen Ministerien, Jung-ÖVPler in den schwarzen. Ihnen allen, auch den Beamten, vorgesetzt ist der Generalsekretär, engster politischer Vertrauter des Ministers.

Eine entsprechende Ausbildung braucht er nicht. Der Bekannteste in der Reihe dieser neuen Mächtigen ist Peter Goldgruber vom Innenministerium. In der türkis-blauen Republik sind die Ministerkabinette inzwischen von drei, vier Mitarbeitern auf über dreißig angewachsen. Sie, nicht die Profibeamten, schreiben jetzt die Gesetze, die denn auch immer öfter von den Höchstgerichten wegen juristischer Mängel oder verfassungsmäßiger Bedenken zurückgeschickt werden.

Er sehe sofort, ob ein Gesetz von einem qualifizierten Beamten oder einem der neuen Ministerhelfer stamme, erklärte jüngst ein altgedienter Spitzenjurist. Und Waltraud Heindl, Historikerin mit Schwerpunkt Bürokratiegeschichte, erklärte im "Falter": "Die persönlichen Berater, die Sektionschefs auf Zeit und die Generalsekretäre unterhöhlen das professionelle Berufsbeamtentum. Es besteht die Gefahr, dass es zwei oder drei Einflusssphären gibt, was überdies nicht billig ist."

Denn die Kabinettsmitarbeiter schreiben natürlich nicht nur Gesetze, sie sind auch damit beschäftigt, Werbung für ihre Minister zu betreiben und die Medien mit Material zu versorgen.

Zeitungsjournalisten können ein Lied davon singen, wie vornehmlich am Wochenende, wenn die Redaktionen schwach besetzt sind und keine Zeit mehr zum Recherchieren da ist, regelmäßig eine Fülle von Aussendungen hereinschwappt. Man braucht sie nur noch ins Blatt zu stellen. Da können die Hofräte alter Schule nur staunend zuschauen.

Ist es schlecht, wenn sich die Verwaltung modernisiert? Die Zeit der "Josephinischen Mandarine" (Heindl) scheint jedenfalls abgelaufen. Statt der Staatsdiener sind jetzt die Ministerdiener am Zug. Statt der Grillparzers die Goldgrubers. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 26.12.2018)