Regionalkrimis sind ein gutes Geschäft, in der Unterhaltungsliteratur wie im Film.

Foto: Der Standard/Pedro Domenigg

Die Wachau? Mörderisch. Altaussee? Brutal. Wien? Fatal. Die Kriminalität in Österreich explodiert. Ob Wien, Tirol oder Steiermark – kein Landstrich ist mehr sicher. Das Böse ist immer und überall. Nicht wegen integrationsunwilliger Ausländer allerdings. Der Inländer ist der Übeltäter. Und zwar dort, wo Dotterblumen auf saftigen Wiesen blühen und Eingeborene seit Generationen knorrige Ks sprechen. Der Regionalkrimi boomt weiter. Wer gerade ein Buchgeschäft aufgesucht hat, musste einsehen: Das Land der Berge ist auch eines der Leichenberge, die Totenglocken habe viel zu tun.

Bei Ursula Poznanski gibt es Ermordete auf Salzburger Kuhweiden. Gerhard Loibelsberger lässt am Naschmarkt und in Schönbrunn morden. Da steigt er sich mit Beate Maxian auf die Füße. Maxian weicht zur Not in die Hofburg, den Prater oder hinter den Stephansdom aus. Und wenn Herbert Dutzlers Bücher "authentisches Ausseer Flair" versprechen, bedeutet das zumindest eine tote Narzissenkönigin. Und jetzt sind wir noch gar nicht bei den Titeln der Bücher gewesen, auf denen Sticker mit dem Hinweis "Spiegel-Bestseller" leuchten.

Hass auf den Nachbarn statt Killerviren

"Es gibt richtige Superstars, die stark sechsstellig verkaufen und verfilmt werden", sagt Literaturagent Günther Wildner. Die meiste "hohe Literatur" kann von solchen Zahlen nur träumen. Ihr geht eben ab, was Regiokrimis so marktgängig macht. In einem idyllischen Setting angesiedelt, bevölkert mit oft skurrilem Personal und in einem Umfeld handelnd, in dem eher keine kriminalistischen Ereignisse passieren, feiert das Genre die Überschaubarkeit.

Mögen anderswo Superschurken einen Killervirus basteln oder neue Menschen züchten – wenn Franz Gasperlmaier, Carlotta Fiore oder "Veilchen" Mauser ermitteln, steht dahinter der gute alte Hass auf seinen Nächsten oder auf den Bürgermeister. So einfach ist das echte Leben. Und dieses feiert ja fröhliche Urständ. Überall, wo man hinschaut, hat die Landlust die Menschen fest im Griff. Nicht nur als gleichnamiges Magazin. Im TV laufen Serien wie Der Bergdoktor und Landkrimi, das Publikum dankt mit Zuschauen. Ein Leben, dessen provinzielle Klischees früher oft alternativlos waren, ist heute medial aufbereitet reizvoll.

Das Böse auf dem Kürbisacker

Symptom einer Globalisierungsverunsicherung? Mit Andreas Gabalier wollen wir hier nicht anfangen. Aber auch ihn trägt eine dieser Wellen hoch. Hoch oben ist auch Claudia Rossbacher. Auf ihren Büchern prangen Titel wie Steirerkreuz oder Steirerkind und Sticker mit der Info "Das Buch zum Film". So kommen keine Zweifel auf, wo hier die Blasmusik spielt. Das Böse passiert auf dem Kürbisacker. Erfolgreicher ist fast nur Rossbachers bayerische Kollegin Rita Falk mit Titeln wie Schweinskopf al dente. "Man kann solche Autoren dem Regiokrimi zuzählen, sie bedienen das Genre mit Buchtiteln und Covers. Aber sie sind bereits eigene Marken und brauchen das Regio-Signet eigentlich gar nicht mehr", sagt Wildner.

Er definiert das Genre "vor allem marketingtechnisch als ein Gefäß für lokal gebundene Spannungsliteratur, die man nicht schadfrei in den Rubriken Kriminalroman und Thriller unterbringen konnte". Das mag für den Anfang gestimmt haben. Mittlerweile wird genau auf diese Lücke hin produziert. "Bis man jedes Tal mit einer Ermittlerin oder einem Kommissar besetzt hat, dauert es ein bisschen." Infolge dessen gebe es "wirklich hunderte" Regiokrimischreiber, die sich aber bescheiden müssen. "Die verkaufen 2.000 bis 5.000 Bücher, das macht bei Taschenbüchern sehr kleine Brötchen."

Lizenzen für die USA und Japan

Big Player im Bereich Regiokrimi wie die Verlage Emons, Gmeiner, Goldmann oder Haymon aus Innsbruck verkaufen Lizenzen für ihre Erfolgstitel jedoch bis in die USA oder nach Japan. Neben dem Heim- lässt sich mit den folkloristisch gefärbten Fällen auch das Fernweh stillen. Es gibt Kroatien- und Istrien-Krimis, Fälle in Portugal und generell am Meer. Jean-Luc Bannalec lässt Kommissar Dupin in der Bretagne ermitteln, die dankte dem Autor mit dem Titel "Mäzen der Bretagne". Hinter dem Pseudonym steckt zwar der deutsche Verleger Jörg Bong, doch er beteuert, drei Monate im Jahr vor Ort zu sein und die Bücher nur dort zu schreiben.

Ein gern geächtetes Genre

Das Genre wird von manchem Buchhändler geächtet. Zu Unrecht, findet Wildner. Man könne Perlen entdecken. Oft heißt es: Für Genreliteratur müsse man "marktkonform schreiben, und das sei nur Handwerk. Aber gerade der Regiokrimi ist eine literarische Form, bei der sich der Autor austoben kann. Wenn man Thriller schreibt, muss auf Seite fünf der Mord her. Man braucht Cliffhanger, einen Mega-Showdown und atemlose Spannung durch alle Kapitel. Damit ist man festgelegt."

Wer bei einem Verlag veröffentliche, der 60 Regiokrimis in einem Halbjahr herausbringt, müsse sich etwas einfallen lassen, um sich zu unterscheiden. Es geht mehr ums Menschliche, um den Unterhaltungsaspekt; da beginne die Überschneidung mit dem literarischen Krimi wie bei Wolf Haas, Thomas Raab, Stefan Slupetzky oder Alfred Komarek. Dafür sei Österreich eine "absolute Marke". Es seien also "relativ viele österreichische Autoren bei deutschen Verlagen. Die sehen den ganzen Sprachraum als Betätigungsfeld", so Wildner.

Auf der Suche nach dem lustigen Krimi

Lokalaugenschein in einer Wiener Buchhandlung. Kunden, die Regiokrimis kaufen, suchen "lustige" Bücher. Sie wollen nichts "Grausiges", die Werke von Sebastian Fitzek sind ihnen zu "psycho". Keine "Thriller, sondern klassische Krimigeschichten", beruhigt die Verkäuferin. Welche Reihen lustig sind, wissen die Käufer ohnehin, da sie schon mehrere Teile davon gelesen haben. Gut so. Denn die Regalbretter – Eiche oder Kiefer – biegen sich.

Nicht der Bescheidenheit halber nennen die Verlage solche Bücher "Ein Wien-Krimi" statt "Der Wien-Krimi". Reihenbildung heißt das Zauberwort. "Ein" verrät, dass es irgendwo immer noch mehr vom Gleichen gibt. Wenn nicht vom selben Autor, dann sicher vom selben Verlag. Regiokrimis verkaufen sich nach dem Serienschau-Prinzip: "binge reading". Das spart Marketingkosten und Nerven. Denn Kundenbindung ist, wenn der Kunde wieder zugreift, weil er vorher schon weiß, was er kriegt. Die Welt ist ja verwirrend genug. (Michael Wurmitzer, 27.12.2018)