Max Zirngast wurde kurz nach Weihnachten vorläufig aus der türkischen Untersuchungshaft entlassen.

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Max Zirngast ist frei – und hat sich am Mittwoch sogar schon zu Wort gemeldet. Der österreichische Journalist und Student hat seine Entlassung in einem Interview mit Ö1 als "schönes Weihnachtsgeschenk" bezeichnet und sogar die Haftbedingungen" im türkischen Gefängnis als "nicht so schlecht" bezeichnet. Freilich ist Zirngast nach seiner Freilassung nicht völlig frei – gegen ihn wurde ein Ausreiseverbot verhängt, er darf das Land bis zu seinem Prozessbeginn am 11. April nicht verlassen. Die Anklage gegen ihn, dem Vernehmen nach auch Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe, sieht im Fall einer Verurteilung auch noch immer eine mehrjährige Haftstrafe vor.

Und das, was Zirngast über die Haftbedingungen sagte, lässt auch auf Unschönes schließen: Mit dem Trinkwasser etwa habe es "sehr große Probleme" gegeben, mit de Wächtern "kleinere". Zudem wies er darauf hin, dass sich die Haftbedingungen in der Türkei generell nach dem Putschversuch 2016 verschlechtert hätten und nicht alle Häftlinge gleich behandelt würden. Auch in einem Brief, der Ende November in der "Washington Post" veröffentlicht worden war, hatte er das kritisiert.

Schwere Vorwürfe

Zirngast war im Morgengrauen des 11. September in seiner Wohnung in Ankara verhaftet worden. Eine Antiterroreinheit stürmte seine Wohnung und beschlagnahmte Bücher, viele davon über linke Bewegungen in der Türkei. Der 29-Jährige wurde dann der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" beschuldigt Nach zehn Tagen in Polizeigewahrsam wurde er in das Gefängnis Sincan in Ankara überstellt.

Man warf ihm auch vor, in der sozialistischen US-Zeitschrift "Jacobin" den türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan beleidigt zu haben und Kontakt zu kurdischen Terrororganisationen zu haben. Die Vorwürfe wurden aber nicht weiter konkretisiert.

Zirngast hat die Anschuldigungen stets bestritten und sie als "lächerlich" bezeichnet. Der Student und Journalist war 2015 in die Türkei gekommen, um Politikwissenschaft an der Universität des Mittleren Ostens in Ankara zu studieren. Er schrieb für türkische und ausländische linke Magazine, darunter das deutschsprachige "re:volt", und nahm immer wieder an Demonstrationen der prokurdischen Oppositionspartei HDP teil.

Mit Zirngast sollen auch Mithatcan Türetken and Hatice Göz auf freien Fuß gesetzt worden sein. Sie sind Mitglieder einer sozialistischen Partei und zeitgleich verhaftet worden. Die österreichische Regierung hatte die Behörden in Ankara aufgefordert, Beweise vorzulegen oder Zirngast unverzüglich freizulassen.

Zahlreiche Verhaftungen

Die Lage der Pressefreiheit in der Türkei hat sich nach dem Putschversuch vom 16. Juli 2016 massiv verschlechtert. Zwar wurde der Ausnahmezustand nach zwei Jahren im Juli dieses Jahres aufgehoben. Einige Notstandsregelungen aber sind im neuen Präsidialsystem weiter gültig. In kaum einem anderen Land sitzen derzeit so viele Journalisten in Haft. Für internationales Aufsehen hatten im vergangenen Jahr der deutsche Journalist und Korrespondent der "Welt", Deniz Yücel, gesorgt, der ein knappes Jahr ohne Anklage im türkischen Gefängnis saß. Während ausländische Korrespondenten meist auf die Unterstützung ihrer Heimatländer hoffen können, trifft es türkische Journalisten besonders hart. Laut der Nichtregierungsorganisation P24 in Istanbul sitzen derzeit 170 Journalisten im Gefängnis – viele ohne offizielle Anklageschrift.

Die Vorwürfe sind stets gleich: Unterstützung von terroristischen Vereinigungen – damit ist fast immer die kurdische PKK oder die islamistische Gülen-Bewegung gemeint. Nur sehr selten werden die Anschuldigungen später konkretisiert. Insgesamt wurden in zwei Jahren über 160.000 Menschen verhaftet und suspendiert. (Philipp Mattheis aus Istanbul, 26.12.2018)