Pasadena – Tun Supermärkte ihren Kunden (und letztlich sich selbst) etwas Gutes, wenn sie aberdutzende Sorten Honig, Nudeln, Duschgel und andere Produkte nebeneinander aufreihen, die sich voneinander kaum unterscheiden? Und ist es eine gute Idee, wenn ein Restaurant dem Gast eine Speisekarte mit dem Volumen einer Novelle auf den Tisch legt?

Eher nicht, bilanzieren Forscher des California Institute of Technology (Caltech) die Ergebnisse ihrer Studie und einiger vorangegangener zum Phänomen des "Choice overload". Das tritt dann auf, wenn uns so viele Auswahlmöglichkeiten angeboten werden, dass sie Ermüdung und Desinteresse auslösen.

Und das muss sich keineswegs auf banale Kleinigkeiten wie eine Speisekarte beschränken. Caltech-Forscher Colin Camerer verweist auf das Beispiel Schwedens, wo im Zuge einer Teilprivatisierung des Sozialsystems den Bürgern eine lange Reihe von Privatfonds angeboten wurde, in die sie ihre Ersparnisse für die Pensionierung investieren konnten; insgesamt waren es einige hundert. Anfangs beteiligten sich an die 70 Prozent der in Frage kommenden Bürger an der Auswahl – zehn Jahre später liegt die Rate bei nur einem Prozent, was nicht im Sinne des Erfinders ist.

Das Experiment

Um zu sehen, was sich im Gehirn während des Auswahlprozesses abspielt, führten Camerer und seine Kollegen ein Experiment durch. Sie ließen ihre Probanden Entscheidungen treffen, während diesen mittels Funktioneller Magnetresonanztomographie beim Denken zugeschaut wurde. Die Scans offenbarten hohe Aktivität in zwei Regionen: dem Striatum, wo laut den Forschern Belohnungen bewertet werden, sowie dem Cortex cingularis anterior, wo Kosten und Nutzen gegeneinander abgewogen werden.

Im konkreten Fall konnten sich die Probanden zwischen verschiedenen Motiven entscheiden, die man für sie auf ein personalisiertes Kaffeehäferl drucken würde. Die Auswahl umfasste entweder 6, 12 oder 24 verschiedene Motive. Im Versuch zeigte sich, dass das 12er-Sample die regste Gehirnaktivität auslöste.

Die goldene Mitte

Camerer interpretiert die Ergebnisse so, dass wir tendenziell zwar eine größere Auswahl bevorzugen – dass jenseits einer gewissen Idealgröße aber der Faktor Zeitaufwand dazwischenfunkt. Das Gehirn komme zum Schluss, dass das beste von 12 schon ziemlich gut sei – das beste von 24 wäre dann keine so große Verbesserung mehr, dass sich der verdoppelte Aufwand lohnen würde.

Der Forscher betont, dass 12 keine "magische Zahl" ist, sondern eine Folge der Versuchsanordnung. Er glaubt aber, dass die Größenordnung einigermaßen hinkommt: Irgendwo zwischen 8 und 15 Auswahlmöglichkeiten liege die goldene Mitte. Individuelle Faktoren würden dann bestimmen, wie es jeweils in konkreten Einzelfällen aussieht.

Unterschätzter Aufwand

Dass wir im Supermarkt und anderswo trotzdem mit einer Überfülle an Auswahlmöglichkeiten überfordert werden bzw. sogar überfordert werden wollen, liegt laut Camerer daran, dass "unsere Augen weiter sind als unser Bauch": Wir schätzen ein großes Angebot, zumindest auf den ersten Blick – aber nur, weil wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht einkalkulieren, wie viel Aufwand uns die Auswahl kostet.

Was dieses Verhalten bewirken kann, hat eine frühere Studie gezeigt, auf die Camerer und seine Kollegen verweisen: In einem Laden wurden Kunden an einem Stand entweder 24 oder nur sechs Marmeladensorten zum Kosten angeboten. Der Tisch mit den 24 Sorten zog wesentlich mehr Interessenten an, doch die Kassa hatte am Ende eine andere Geschichte zu erzählen: Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand nach dem Kosten tatsächlich eine Marmelade kaufte, war am Stand mit nur sechs Sorten zehnmal so hoch wie am anderen. (jdo, 6. 1. 2019)