"Ein cholerisches Kontra ist für ein Arschloch das, was Epo für den Tour-de-France-Radler oder Twitter für Trump ist."

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Wer kennt sie nicht, die Gfraster am Arbeitsplatz. Die Tyrannen und Despoten in den Führungsetagen. Die buckelnden "Radfahrer" im Büro nebenan. Die Abteilungsleiter, die bei geöffneter Tür Mitarbeiter lautstark demütigen und herunterputzen.

Oder die "lieben" Kollegen mit ihren vergifteten Komplimenten und abgrundtief bösen "Ach, und übrigens"-Bemerkungen, die sie einem am liebsten mit links, irgendwie im Vorübergehen, mitgeben. Nicht zu vergessen die Nachbarn. Alle: Vertreter des Homo sapiens glutealis. Alles Arschlöcher, gestern, heute, morgen.

Robert I. Sutton, 65, Management-Professor an der kalifornischen Stanford University, forscht am liebsten theorierektal, po-ologisch. Vor zwölf Jahren schrieb er mit "Der Arschloch-Faktor" einen Bestseller. Damals schon beschrieb er, dass Arschlöcher das Ineffizienteste sind, was es weit und breit gibt.

Herbe Karriereknicke

Sie schädigen gar nicht selten sich selbst. Das zeigen die herben Karriereknicke nicht weniger amerikanischer Wirtschaftskapitäne, die in den letzten Jahren von der Kommandobrücke geschmissen wurden. Nicht weil sie so übermäßig schlechte Ergebnisse einfuhren. Sondern weil das menschlich unpackbare Verhalten einer Linda Wachner, CEO des Textilkonzerns Warnaco, oder eines Albert "Chainsaw Al" (Kettensägen-Al) Dunlap nicht dazu taugten, die Belegschaft in einer Krise zu motivieren, und sie für Investoren eine Belastung darstellten.

Sutton erzählte damals von einer Firma, in der das leitende Management sich exakt ausrechnen ließ, wie viel sie in einem Geschäftsjahr ein sehr guter Verkäufer, der unbestritten ein Arschloch war, real kostete – und zogen ihm einen sechsstelligen Betrag vom Bonus ab.

Für den volkswirtschaftlichen Schaden führte Sutton einen neuen Begriff ein: Total Asshole Costs, TAC. Manche Firmen führten sogar auf der Basis von Suttons anthropologischen Enddarmerkenntnissen Verhaltensmaßregeln für einen zivilisierten Umgang ein. Mittlerweile ist aber innerhalb und außerhalb weißer und Weißer Häuser das erreicht, was der Ordinarius "peak asshole" nennt, den Kulminationspunkt der A-Gattung.

Wie sich gegen solche Charaktere wappnen, wie ihnen begegnen? Dafür gibt Sutton redlich Tipps. Die drei hilfreichsten lauten: besonnene Analyse, dabei Ruhe und Anstand bewahren, Dokumentation, also Nachweise sammeln, sowie Solidarität und Einigkeit unter Betroffenen herstellen.

Um dann die finale offene Konfrontation zu suchen. Das heißt zum Beispiel: auf keinen Fall mit gleicher Münze heimzahlen – ein cholerisches Kontra ist für ein Arschloch das, was Epo für den Tour-de-France-Radler oder Twitter für Trump ist.

Gewöhnungseffekte

Gegen Rosettenexistenzen anzugehen ist, so Sutton ganz richtig, ein riskantes Unterfangen. Gehören doch zu dieser Spezies Chefs und Bimfahrer, der dauergrillende Nachbar und die imbezile HTL-Lehrerin.

Stößt man allerdings auf nicht nachlassende Aggression im Dauerinvektivmodus, dann hilft nur noch die Aktivierung von "porcupine power", wie das der Sozialpsychologe und Sutton-Kollege Rod Kramer nennt, die Macht des Stachelschweins. Will sagen: kräftig dagegenhalten, sich aufpumpen. Denn "aufdringliche Deppen", so Sutton, erkennen nur im "Aufblitzen gerechten Zorns" Grenzen und Grenzziehungen.

Andere Empfehlungen Suttons muten eher hilf- und sinnlos an, Arschkriechen etwa, schmeichelnde Bestechungen, Racheaktionen. Viel eher leuchtet der Ratschlag ein, ab Seite 185 anzustreichen, das System zu nutzen, um Idioten zu läutern, zu besiegen, zu vertreiben.

Wobei das Erstere wohl das Schwerste ist. Und man bei dieser Taktik auch Pech haben kann. Entzieht sich doch das Arschloch der Gravitationslehre. Im Zweifel fällt es die Karriereleiter hoch, und nicht hinunter. Mit am wichtigsten ist der Gedanke des Autors William Gibson, den man gleich zu Beginn des Bandes findet: "Bevor man bei sich eine Depression oder geringes Selbstwertgefühl diagnostiziert, sollte man sichergehen, dass man nicht einfach von Arschlöchern umgeben ist."

Die mehr als latente Gefahr bei alledem: Man gewöhnt sich an Arschlöcher. Und wird so selbst eines. In Anlehnung an Theoretiker des Krieges gibt Sutton den Ratschlag: "Know your asshole." Dass man sie überlebt, davon ist Robert Sutton, ganz Amerikaner, also Optimist, überzeugt. – Und jetzt zu dir, du Arschloch! (Alexander Kluy, 29.12.2018)