ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz wird vom ukrainischen Geheimdienst kritisiert.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Kiew/Wien – Wegen ihrer Kritik an der Ukraine nach Problemen mit der Akkreditierung des ORF-Korrespondenten Christian Wehrschütz ist Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) selbst mit Kritik der ukrainischen Regierung konfrontiert. Für ukrainische Journalisten, die im Donbass oder in Russland im Gefängnis sitzen, habe sich Kneissl nie eingesetzt, erklärte die stellvertretende Regierungschefin Iwanna Klympusch-Zynzadse.

"Außenministerin Karin Kneissl hat 'Unterdrückung von Medien' in der Ukraine kritisiert. Wenn sie den ukrainischen Journalisten Stanislaw Assejew meinen sollte, den Putins Leute seit zwei Jahren im besetzten Donbass festhalten, danke dafür. Es wäre das erste Mal, dass das offizielle Österreich ihn bemerkt hätte", schrieb die für europäische Integration zuständige Ministerin am Donnerstagabend auf Twitter.

Klympusch-Zynzadse erwähnte auch weitere ukrainische Journalisten, die in Russland inhaftiert sind oder es waren. "Madame Minister Karin Kneissl – wird man von ihnen ein Wort über sie hören, im Geiste der Verteidigung von freien Medien?", schrieb sie.

SBU-Sprecherin: "Wehrschütz ist russischer Propagandist"

Im Zusammenhang mit den bürokratischen Schikanen gegen Wehrschütz, die am Donnerstag Anlass für Kneissls Kritik an einer "zunehmenden Einschränkung der Pressefreiheit in der Ukraine" waren, gab es keine Indizien für ein Einlenken. Wehrschütz war am 4. Dezember die Erneuerung seiner Akkreditierung im ostukrainischen Frontgebiet kommentarlos verweigert worden.

"Ich sehe ihn als prorussischen Propagandisten. Seine Veröffentlichungen sind gegen die Ukraine gerichtet", sagte eine Sprecherin des ukrainischen Geheimdiensts SBU in einem Telefonat mit der APA am Freitag. Sie betonte aber, dass es sich um eine persönliche Meinung und nicht um die offizielle Position des SBU handle. Die Entscheidung über eine Akkreditierung im Frontgebiet treffe allerdings seit Mai nicht mehr der SBU, sondern die Streitkräfte. "Lediglich wenn es die Streitkräfte für nötig erachten, ersuchen sie uns um eine Überprüfung. Wir überprüfen dann, ob der betreffende Mensch mit antiukrainischen Aktivitäten aufgefallen ist oder nicht."

Bei den Streitkräften selbst betonte man in der Vergangenheit die entscheidende Rolle des SBU. Angesichts der Ablehnung der Akkreditierung zweier langjähriger Mitarbeiter von Wehrschütz aus Donezk erklärte der Stabschef der Vereinten Streitkräfte, Generalmajor Waleri Sasluschni, im November der APA, dass die Streitkräfte nicht befugt seien, die Gründe dieser Ablehnung zu kommentieren: "Nach der gültigen Gesetzeslage erfolgt die Überprüfung von Journalisten durch den SBU, der auch die Zweckmäßigkeit der Ausstellung von Akkreditierungskarten bestimmt."

Wehrschütz: "Kein Verständnis für objektive Berichterstattung"

Der ORF-Korrespondent selbst erklärte zu der Angelegenheit am Donnerstag: "Der Kern des Problems ist, dass die derzeitige Führung in der Ukraine kein Verständnis für eine objektive und kritische Berichterstattung hat."

Update 28.12.2018, 14:40

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) hat die Verweigerung der Akkreditierung österreichischer Journalisten in der Ukraine erneut kritisiert. Dies sei ein "beispielloser Vorgang", Kiew zeige mit dieser "unbegründeten Vorgangsweise" ein "bedauerliches Unverständnis für die Bedeutung der Medienfreiheit, die ein fundamentaler Wert europäischer Staaten ist", so Kneissl am Freitag in einer Aussendung.

Österreich setze sich weltweit und in internationalen Gremien für die Erhaltung der Pressefreiheit und den Schutz von Journalisten ein und werde dies auch weiterhin tun, auch wenn "einer oder mehrere österreichische Staatsbürger Opfer staatlicher Willkür werden", betonte die Außenministerin.

Der ORF-Korrespondent in Kiew, Christian Wehrschütz, hatte am Donnerstag Schikanen ukrainischer Behörden beklagt und sieht sich und seine ukrainischen Mitarbeiter nach einer Brandmarkung als "Agent des Kreml" bedroht. Anfang Dezember wurde Wehrschütz die Verlängerung seiner Akkreditierung für das Frontgebiet im Donbass verwehrt. Kneissl kritisierte die Weigerung Kiews als "unbegründet".

Die ukrainische Vizepremierministerin Iwanna Klympusch-Zynzadse griff daraufhin Kneissl via Twitter an. Für ukrainische Journalisten, die im Donbass oder in Russland im Gefängnis sitzen, habe sich Kneissl nie eingesetzt.

Update 28.12.2018 15:06

Der ukrainische Botschafter in Österreich, Olexander Scherba, will sich dafür einsetzen, dass ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz eine Akkreditierung für die Frontgebiete im Osten der Ukraine erhält. Das erklärte Scherba am Freitagnachmittag nach einem Gespräch mit ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz gegenüber der APA.

"Ich finde die ganze Situation um Herrn Wehrschütz bedauerlich", sagte Scherba und betonte, dass er sich in den vergangenen drei Jahren aufrichtig bemüht habe, den ORF-Korrespondenten in seiner Tätigkeit in der Ukraine zu unterstützen. "Ich werde mich auch weiterhin dafür einsetzen, dass eine Lösung in der Frage seiner Akkreditierung erreicht wird", erklärte Scherba, der ORF-Generaldirektor Wrabetz für dessen Besuch in der ukrainischen Botschaft in Wien am Freitag dankte.

Dass eine unabhängige ukrainische Webseite, auf die die Kiewer Regierung keinen Einfluss habe, den ORF-Korrespondenten als "Agent des Kreml" bezeichne, bedauerte der Botschafter. Dies bedeute jedoch nicht, dass Wehrschütz als Journalist bedroht sei.

Ebenso bedauerte Scherba, dass viele Ukrainer Wehrschütz als voreingenommen im Sinne Russlands sehen. "Ich bin überzeugt, dies hat weniger mit seiner 'kritischen Berichterstattung' gegenüber der Ukraine zu tun, sondern mehr mit seinem Ton und dem Ansprechen oder Verschweigen der Themen, die er für seine Berichterstattung wählt", erläuterte Scherba. Es sei sowohl das gute Recht Wehrschütz', den Ton seiner Darstellung zu wählen, als auch das gute Recht der Ukraine darüber eine Meinung zu haben, ob dieser Ton und diese Darstellung ausgewogen sei oder nicht, erklärte der Botschafter. Er ersuche jedoch um Verständnis, dass diese Meinung inmitten eines Krieges "öfters emotionell" sein könne. (APA, red, 28.12.2018)