These 1: Der Euro kann nicht funktionieren

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Es waren vor allem US-Ökonomen, die den Euro von Anfang an infrage stellten. Die kritischen Stimmen kamen aus dem rechten Lager, etwa von Martin Feldstein, genauso wie von Linken wie Paul Krugman. Eine Währungsunion ohne echte politische Union könne längerfristig nicht funktionieren, warnten sie. Denn wenn sich die Konjunktur in den verschiedenen Staaten unterschiedlich entwickelt, dann fehlten die Ausgleichsmechanismen, um die Union zusammenzuhalten. Dann würden politische Spannungen steigen, die gemeinsame Währung würde Europa spalten statt es zusammenzuführen.

Kritiker verwiesen auf die Theorie des optimalen Währungsraums des kanadischen Ökonomen Robert Mundell. Sie besagt, dass eine gemeinsame Währung dann sinnvoll ist, wenn Steuer- und Sozialhilfegelder zwischen besser und schlechtergestellten Regionen transferiert werden und das politisch akzeptiert wird, wenn Arbeitssuchende leicht dorthin ziehen können, wo es genügend Jobs gibt, und die Löhne auch nach unten hin flexibel sind. Fehlen diese Faktoren, dann muss in einer Krise, die nicht alle gleich betrifft – sogenannte asymmetrische Schocks –, die Währung abwerten können, was bei einer Einheitswährung nicht geht. Interessanterweise war und ist Mundell ein Befürworter des Euro: Wirtschaftliche Zwängen werden die Eurozone in einen optimalen Währungsraum verwandeln, sagt er.

Ressentiments auf beiden Seiten

Das sei viel zu optimistisch, warnten die Kritiker. Denn Deutschland habe den Euro ja nur unter der Bedingung akzeptiert, dass es niemals dazu gezwungen werde, andere Länder finanziell unter die Arme zu greifen, wenn die sich zu hoch verschuldet haben. Und als die Euroschuldenkrise 2009 ausbrach, schienen sie recht zu bekommen. Zwar kam es sehr wohl zu Milliardenzahlungen vom stabilen Norden in den krisengeschüttelten Süden. Aber wie vorausgesagt, führte dies zu Ressentiments auf beiden Seiten: Die Deutschen waren zornig, für die faulen Griechen zahlen zu müssen, die Griechen fühlten sich von den strengen Sparauflagen der Deutschen geknechtet. Psychologisch hat der Euro die Integration Europas jedenfalls erschwert und die Hürden für die Währungsunion weiter erhöht.

Dazu komme das Problem, dass die Europäische Zentralbank für einen heterogenen Wirtschaftsraum keine passende Geldpolitik entwickeln könne. Die Zinsen seien für den Süden lange Zeit zu niedrig gewesen und hätten Inflation und spekulative Blasen angeheizt. Nach der Krise drohte dort Deflation, weshalb die EZB die ganze Eurozone mit Geld überschwemmte. Das raubte jeden Anreiz zum Sparen und förderte Immoblasen. Und trotz jahrelanger Nullzinsen könne ein Land wie Italien nicht wachsen, weil ihm die Möglichkeit der Abwertung versperrt bliebe.

Aus diesem Dilemma gebe es nur einen Ausweg: die Wiedereinführung einer eigenen, weichen Währung, die Exporte ankurbeln könnte. Doch sobald auch nur ein Land die Eurozone verlässt, werde der Euro rasch auseinanderbrechen.

These 2: Der Euro muss sich grundlegend ändern

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Reformvorschläge für den Euro gab es seit seiner Geburt zuhauf, und die Krise hat das Drängen auf Veränderung weiter angeheizt. Die Eurozone könne nur funktionieren, wenn sie sich grundlegend ändert, sagen Experten aus allen Lagern. Das Problem: Die Empfehlungen weisen in entgegengesetzte Richtungen.

Aus dem Norden, allen voran aus Deutschland, erschallt der Ruf nach Strenge: Die Staaten müssten in ihrer Budgetpolitik noch stärker kontrolliert werden, damit erst gar keine Überschuldung eintreten kann. Und da die Südländer nicht abwerten können, müssen sie ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Strukturreformen absichern.

All dies wurde im Vertrag von Maastricht 1992 und dem Stabilitätspakt von 1997 eigentlich festgeschrieben, doch ohne glaubwürdige Sanktionen bei Verstößen. Mit dem Fiskalpakt wurde 2012 inmitten der Eurokrise nachgeschärft. In Deutschland gilt das Euroregelwerk allerdings als immer noch zu lasch, wie man nun an Italien sieht. Die Mitgliedsstaaten, vor allem die hochverschuldeten im Süden, müssten noch mehr Kontrolle über ihre Budget- und Sozialpolitik akzeptieren und weitere Souveränität aufgeben, heißt es in Expertenkreisen. Ohne diese Maßnahmen drohe der Eurozone "eine unheilvolle Transferunion gepaart mit wirtschaftlicher Stagnation", warnt etwa der ehemalige Chef des Ifo-Instituts, der streitbare Ökonom Hans-Werner Sinn.

Die Starken sollen den Schwachen helfen

Aber genau diese Transferunion sehen andere als Voraussetzung für ein Überleben der Eurozone. Statt sie mit Sparauflagen weiter in den wirtschaftlichen Abgrund zu führen, müssten die starken Staaten den schwächeren stärker unter die Arme greifen – etwa durch die gemeinsame Ausgabe von Staatsanleihen, sogenannter Eurobonds, gegen die Hedgefonds in den Finanzmärkten nicht so leicht spekulieren könnten. Es müsse eine echte Bankenunion mit einer gemein samen Einlagensicherung entstehen, damit die Rettung maroder Banken nicht mehr nur an den nationalen Regierungen hängenbleibe. Denn die Milliardenbelastungen für die Budgets lassen den Kurs der Staatsanleihen weiter fallen und gefährden so die Bilanzen der Banken noch mehr.

Eine europaweite Arbeitslosenversicherung würde die Kosten einer Rezession besser verteilen und so vermeiden, dass Staaten in einer Wirtschaftskrise sich weiter verschulden. Und notwendig wären auch zentral finanzierte Investitionsprojekte, um die Kluft zwischen Starken und Schwachen zu verringern. Kurzum: Die Eurozone müsse ein optimaler Währungsraum werden, und dafür braucht es massive Transfers.

Einige von diesen Ideen fanden sich in den Vorschlägen des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron wieder, die aber nur in Ansätzen umgesetzt werden, denn der Widerstand aus Deutschland ist zu groß. Dies sei alles viel zu wenig, warnen Kritiker. "Als Stabilitätsunion ohne Korrekturen an ihrer Maastrichter Architektur ist die Eurozone zum dauerhaften Krisenmodus oder zum Scheitern verurteilt", schrieb vor kurzem der Ökonom Björn Hacker von der HTW in Berlin.

These 3: Der Euro war die richtige Entscheidung

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Auch der glühendste Euro-Fan wird nicht behaupten, dass die Architektur der Währungsunion perfekt gelungen ist. Aber was wäre die bessere Alternative, fragen Sie? Soll Europa zu den stark schwankenden Wechselkursen der 1970er-Jahre zurückkehren, als man im Winter nicht wusste, was der Sommerurlaub in Italien kosten wird? Für einen eng verzahnten Binnenmarkt mit offenen Grenzen wäre dies eine schwere Belastung.

Oder wünscht sich irgendjemand die Rückkehr zum halbfesten Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems (EWS)? Dieses sorgte ab Mitte der 1980er-Jahre zwar für Stabilität im Devisenmarkt, aber zu einem hohen Preis: Die anderen europäischen Staaten mussten stur die Geldpolitik der Deutschen Bundesbank übernehmen und hatten keinerlei Mitsprache. Und die Zinsen auf Staatsanleihen waren im Süden immer noch höher, weil niemand ausschließen konnte, dass die Währung eines Tages doch abwerten wird.

Es gab gute Gründe, warum so viele EU-Staaten vor 20 Jahren in den Euro drängten, und keiner so vehement wie Italien. Sie wollten mithilfe des deutschen Hartwährungskurses die ständige Inflation überwinden, aber bei der Geldpolitik dennoch mitreden können. Und sie wollten die teuren Zinsaufschläge loswerden. Für Deutschland war der Euro wirtschaftlich eine Pflichtübung, es hatte nicht viel zu gewinnen. Aber auch dort wirkten ein integrierter Finanzmarkt und der Verzicht aufs lästige Umrechnen und Geldwechseln attraktiv.

Eine Währung für ein Zwitterwesen

All diese Vorteile hat der Euro tatsächlich gebracht. Und ein Schock wie die Weltfinanz krise von 2008 hätte in einem Wirtschaftsraum mit vielen verschiedenen Währungen wohl noch größere Turbulenzen ausgelöst. Die Eurozone ist kein optimaler Währungsraum und hat keine Zentralregierung, die für eine gemeinsame Budgetpolitik sorgen kann. Aber das ist symptomatisch für die EU, dieses einmaligen Zwitterwesen zwischen Staatenbund und Bundesstaat.

Die Eurostaaten haben aus frühen Fehlern gelernt. Gerade die Krise hat Fortschritte an allen Fronten gebracht: den Fiskalpakt, der besser wirkt als das vorige Regelwerk; die gemeinsame Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank; und den Aufbau einer Bankenunion.

Das mag zwar Stückwerk sein, aber bei allen Reformschritten muss auf politische Befindlichkeiten Rücksicht genommen werden. Weder sind die Südstaaten bereit, sich von Brüssel ihre Budgets diktieren zu lassen, noch wollen die Nordstaaten für deren Schulden komplett haften. Die Eurozone betreibt die Kunst des Möglichen. Selbst der aggressive Populismus der italienischen Regierung wurde zuletzt mit sehr viel Pragmatismus pariert.

Die Schwächen der gemeinsamen Währung werden wohl nie ganz behoben werden. Aber dass der Euro auch ohne radikale Reformrezepte funktioniert, hat er seit 20 Jahren bewiesen. (Eric Frey, 29.12.2018)