Koalitionäre mit anderen Ansichten: Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache verfolgen bei den kommenden Europawahlen divergierende Interessen.

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Wir waren Präsident. Von der Öffentlichkeit war vielleicht zu viel an "österreichischer Note" erwartet worden. Gezeigt hat sich, wie hervorragend Österreichs Verwaltung internationale Spielregeln gelernt hat. Auch wenn sich der Steuerzahler beklagen muss, dass nur eine Minderheit hier gestresst wurde, die Mehrzahl auf vier bis fünf staatlichen Ebenen aber finanziert werden muss.

Umwelterfolge

Zu den Erfolgen zählen Initiativen im Umweltbereich – von den Plastiksackerln bis zur Reduktion der Schadstoffe im Verkehr. Letzteres war überfällig, weil Europa weit weg vom Zwei-Grad-Kurs liegt. Und Österreich muss erst wieder lernen, seine wissenschaftlichen Patente für eine Vorreiterrolle zu nutzen.

Erstickt wurden österreichische Initiativen im Steuerbereich. Wenn bei Finanztransaktionen die Besteuerung von Aktien bliebe, sollte man das lassen. Das schränkt Spekulationen nicht ein, aber schwächt die Realinvestitionen. Die Besteuerung heimatloser Konzerne (Digitalsteuer) ist nicht gelungen. Fluchtgeld wird in Europa gebunkert, mehr, als wir an Entwicklungshilfe an benachteiligte Länder geben.

Beim Migrationsthema wurde keine bessere Steuerung in jene Bezirke erreicht, wo das Arbeitsangebot um ein Drittel sinkt oder Servicepersonal und Spitzenkräfte fehlen. Integration schon qualifizierter Migranten wird unterdessen verhindert, Lehrlinge werden abgeschoben.

In Afrika investieren

Gedämmert ist Europa, dass die Europäische Union in Afrika in partnerschaftliche und praxisnahe Ausbildung investieren muss. "Konzentrierte" Anhaltelager werden weder von Afrika akzeptiert, noch sollten sie von Europa gewünscht werden.

Da hilft auch nicht, wenn Österreich den Migrationspakt der Vereinten Nationen nicht unterschreibt und das in der Präsidentschaft erworbene Prestige flott verpulvert. Die Erweiterung des Erasmus-Programms ist ein Fortschritt und eine Chance für Österreich; die Weiterführung der Großflächenförderung im Agrarbereich wird kaum eingeschränkt, die Mitteln für Bio- und Bergbauern mussten von Österreich zurückerkämpft werden.

Rechtspopulisten

Die Europawahlen stehen bevor und die Bildung jener Kommission, die die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für das Europa Projekt wiederherstellen soll. Europa könnte gerade wegen des Rückzugs der USA die neue Weltordnung selbstbewusst mitgestalten und ein Alternative zu China bieten. Nur so kann die EU die Einmischung Russlands auf dem Westbalkan und in Osteuropa zurückweisen.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass populistischen Parteien – mit der Agenda aus der EU auszutreten, wenn diese keinen Kniefall vor ihnen macht – ein Drittel der Parlamentssitze gewinnt. Ob es eine liberale Allianz geben wird und wie weit die Grünen eine lebensbejahende Botschaft formulieren, wird entscheidend sein. Ebenso ob eine geplante Jugendpartei – "Volt"- rechtzeitig gegründet wird.

Strategien vorlegen

Die Konservativen und die Sozialdemokraten sind gefordert, eine Strategie vorzulegen, wie dringende Problem gelöst werden, ohne in detaillierte Überregulierung zu verfallen. Europa kann durch die Partnerschaft mit Afrika selbst Arbeitsplätze schaffen, es muss die Ungleichheit reduzieren und mehr in die Zukunft investieren. Die Jugend will Gestaltungsmöglichkeiten durch Bildung und Auslandserfahrung, nicht unhaltbare Schutzversprechen und hohe Steuern. Die Vorteile der Heterogenität und Gestaltung von Lebenskonzepten sollen sichtbar werden. Damit kann Angst vor Abstieg und Verlust von europäischen Werten vermieden und dem Populismus der Nährboden entzogen werden.

Österreich sollte nach der Präsidentschaft die Brücke zu Nachbarn und in die Zukunft weiterbauen. (Karl Aiginger, 28.12.2018)