In Österreich gab es vor 150 Jahren noch zahlreiche Posamenterien.

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Posamentierer stellen "alles her, womit man schmücken will", erklärt Maurer senior.

Maurer

Es ist wie eine Reise in ein voriges Jahrhundert. Wer den Verkaufsraum des Posamenterie-Unternehmens M. Maurer im siebenten Wiener Gemeindebezirk betritt, wird von einem Geruch nach Stoff, Staub und Holz begrüßt. Im Hintergrund ist das laute Rattern und Wummern von Web- und Stickmaschinen zu hören. Der Verkaufsraum wird zur Hälfte von einem Schrank mit rund hundert Laden eingenommen, durch deren Glasfenster das Kunsthandwerk des Betriebs zu bestaunen ist: rot-weiß-rote Uniformbänder, Borten, Quasten und Manschettenknöpfe.

Als die Manufaktur 1863 gegründet wurde, waren im siebenten Bezirk noch 80 oder 90 Posamenterien angesiedelt, erzählt Konrad Maurer, der 1958 in das Familienunternehmen eingetreten ist. "Hier gab es in jedem zweiten Haus eine Posamenterie." Mittlerweile gehört die Manufaktur in der Kandlgasse zu der letzten ihrer Zunft. Posamentierer stellen "alles her, womit man schmücken will", erklärt Maurer: von Zierquasten für Möbel bis hin zu Rangabzeichen für Uniformen.

Freiwillige Feuerwehr als Hauptkunde

Im Jänner übernimmt Maurers Sohn Albert in sechster Generation den Betrieb, den er nach und nach modernisieren will. Während die Vorfahren der Familie großteils Vorprodukte für den Hof der k. u. k. Monarchie herstellten, zählen heute die freiwillige Feuerwehr, die Polizei und das Heer zu den Hauptkunden des Familienunternehmens.

Albert Maurer (links) übernimmt im Jänner den Betrieb von seinem Vater Konrad Maurer (rechts).
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"Die Nachfrage wächst", sagt Albert Maurer im Gespräch mit dem STANDARD, "viele lernen das Handwerk wieder zu schätzen." Dennoch sieht sich der Jungunternehmer mit mehreren Problemen konfrontiert. Der Großteil der rund 50 Angestellten ist zwischen 55 und 60 Jahren alt. Nachwuchs gibt es in dem Gewerbe kaum. "Es ist nicht leicht, Lehrlinge zu finden", sagt Maurer junior.

Derzeit beschäftigt der Betrieb zwar eine Frau, die eine Posamenterie-Lehre macht, sowie einen afghanischen Flüchtling, der Weberei lernt, dennoch bleiben zwei Lehrstellen unbesetzt. "Es ist schwer, jungen Menschen den Beruf zu vermitteln." Außerdem gebe es für fertig ausgebildete Lehrlinge abseits des Betriebs in der Kandlgasse kaum Anstellungsmöglichkeiten. Hinzu kommt, dass die Maschinen ein Ablaufdatum haben: Sie werden nicht mehr hergestellt, und auch der Techniker sei "mittlerweile recht alt", sagt Maurer. "Er muss bei der Reparatur schon sehr kreativ werden."

Die Webmaschinen laufen oft mehrere Tage durchgehend.
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Die Maschinen sind wartungsintensiv und laufen oft mehrere Tage durchgehend. Um etwa eine Borte herzustellen, wie sie zum Verzieren von Vorhängen verwendet wird, muss das Muster zwei Stunden lang eingerichtet werden. Anschließend rattert das Gerät eine Woche lang vor sich hin.

Das Kunsthandwerk wird auf insgesamt drei Etagen produziert. Während die Weber im oberen Stockwerk die Grundlage für Uniformbänder herstellen, geht es zwei Stockwerke tiefer etwas ruhiger zu. Im Hintergrund dreht sich klickend das Rad einer Stickmaschine. Zwei Frauen binden bunte Fäden zu Quasten zusammen, eine weitere umwickelt ein Lampenkabel mit Garn. Auch Zierdeelemente für Trachten und Rangabzeichen werden hier hergestellt. "Maschinen können das gar nicht, was Leute hier per Hand machen", sagt Maurer. Das Wissen werde von Person zu Person weitergegeben. Das Know-how seines Vaters – den Maurer junior "Lexikon" nennt – sei dabei essenziell.

50 Mitarbeiter sind in dem Wiener Unternehmen beschäftigt – rund die Hälfte davon in Heimarbeit.
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In den vergangenen Jahrzehnten sei der Druck aus China stetig gewachsen, die Qualität könne mit den heimischen Produkten aber nicht mithalten, meint Maurer "China ist Massenware, das ist keine Qualität." Die Manufaktur würde hingegen Kundenwünsche berücksichtigen und Abänderungen vornehmen. Als Vorteil nennt Maurer auch die 25 Heimarbeiterinnen, die der Betrieb beschäftigt und die allesamt in der Nähe wohnen. Diese könnten selbst in "letzter Minute" noch Kundenwünsche erfüllen. Gerade vor dem im Februar anstehenden Opernball sei die Nachfrage nach Uniformbändern und Manschettenknöpfen hoch. (Nora Laufer, 29.12.2018)