Thielemann hat seine Karriere, die ihn an kleine deutsche Bühnen führte, mit Operette begonnen und das Schwere im leichten Repertoire erlebt.

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Als Chef der Dresdner Staatskapelle will er sich nichts Angenehmeres vorstellen als ein Leben in der Stadt des Orchesters. 2018 wird Christian Thielemann Silvester jedoch nicht in Dresden, sondern in Wien verbringen. Man kann auch feiern dazu sagen.

Das Vergnügen wird jedoch Disziplin erfordern. Alkohol wird tabu sein, also jener Rotwein, den der Berliner, Jahrgang 1959, zu Feiertagen schätzt. Es gilt eben, jenes Ja einzulösen, mit dem er bei einem Abendessen auf eine philharmonische Frage reagiert hatte. Ja, er wird das Neujahrskonzert dirigieren. Die Philharmoniker hatten ihn, mit dem sie Wagner-Triumphe gefeiert hatten, seit 2008 im Auge. Damals eröffnete er mit den Sphärenklängen den Orchesterball, also mit einem Walzer, der auch Teil des diesjährigen Programms ist.

Es hätte eines Balltests nicht bedurft. Thielemann hat seine Karriere, die ihn an kleine deutsche Bühnen führte, mit Operette begonnen und das Schwere im leichten Repertoire erlebt. Die ganzen Ritardandi und Rubati, die Tempospielchen, sie müssen spontan wirken und flexibel bewältigt werden. Dabei ist allerdings auf die Philharmoniker Verlass. Thielemann, einst Assistent von Herbert von Karajan, weiß das. Er fügt seine Gestaltungsenergie hinzu, eine Eigenschaft, die schon früh in ihm rumort haben muss: Thielemann flog ja aus einem Dirigierwettbewerb, da er vom Orchester forderte, nur wenige Takte des Tristan-Vorspiels zu probieren. Unüblich.

Der Beginn der "Wagnerei"

Diese Hartnäckigkeit, in der auch Kalkül mitschwang, gefiel aber dem späteren Intendanten der Salzburger Festspiele. Peter Ruzicka fand das Insistieren markant, man blieb in Kontakt. Und so kam es, dass Thielemann in Hamburg, wo Ruzicka Opernchef war, Wagners Tristan übernahm. Es sei dies "der Beginn meiner ,Wagnerei'" gewesen, die ihn auch nach Bayreuth führte. Er ist dort auch künstlerischer Berater. Trotz aller Erfahrung – Nervosität kennt Thielemann.

Manchmal sei sie da, manchmal nicht. Manchmal wundere er sich, warum er nicht nervös ist, und es gebe dann "Auftritte, da will man weglaufen", so Thielemann, der sich tanzmäßig für "nicht so begabt" hält. Es ist aber nicht zu erwarten, dass er vor dem Neujahrskonzert flüchtet. Schon eher von den Osterfestspielen, wo es einen Konflikt gibt. Man will ihm Nikolaus Bachler zur Seite stellen, was Thielemann als künstlerischer Leiter nicht akzeptiert. Mehr davon aber erst nach dem Walzervormittag. (Ljubisa Tosic, 28.12.2018)