MbS und MbZ: Mohammed bin Salman empfängt Mohamed bin Zayed in Riad.

Foto: APA / AFP / Saudi Royal Palace / Bandar Al-Jaloud

Beim G20-Gipfel in Buenos Aires freuten sich zwei Staatenlenker ganz besonders über ihr Wiedersehen. Der Kronprinz von Saudi-Arabien, Mohammed bin Salman (MbS), und der russische Staatspräsident Wladimir Putin klatschten einander ab wie engste Kumpel im autokratischen Geiste.

Unterdessen bezeichnete Lindsey Graham, seines Zeichens US-Senator und Mitinitiator zweier Senatsbeschlüsse, die eine scharfe Korrektur der amerikanischen Politik gegenüber Saudi-Arabien fordern, den Kronprinzen als eine "Abrissbirne". Die saudische Diplomatie reagierte erbost auf diese "Einmischung", offensichtlich im festen Glauben an die dauerhafte Unterstützung durch das Weiße Haus.

Saudi-Arabien durchläuft seit der Ernennung von MbS zum Kronprinzen vor zwei Jahren einen radikalen Reformprozess. Ein junger, umtriebiger und vorwiegend unbekannter Prinz ist innerhalb kürzester Zeit der Strippenzieher des mächtigsten Landes der arabischen Welt geworden.

Viele neue Ideen entwickelte MbS, sei es die Teilprivatisierung des staatlichen Energieriesen Saudi Aramco oder der Bau der neuen Stadt Neom von schier unglaublicher Größe, im letzteren Fall gut beraten durch den ehemaligen Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. Als Visionär zeichnet MbS das Bild Saudi-Arabiens im Jahre 2030.

Gesellschaftlich inszeniert sich MbS als progressiver Lenker, wie die Aufhebung des Frauenfahrverbots oder die Billigung von Kinos gegen Widerstände des wahhabitischen Klerus zeigen. So sprach er unlängst auch von einem weltoffenen, moderaten Islam, der in dem ultrakonservativen Königreich von nun an proklamiert werden soll. Viel Zustimmung kann MbS diesbezüglich in der jungen saudischen Gesellschaft erzeugen.

Regionale Misserfolge

Gleichzeitig hat er sich in einen militärischen Konflikt im Jemen verstrickt, bei dem er so lange von einem Kampf gegen den Erzfeind Iran sprach, dass sich die Prophezeiung eines iranisch-saudischen Stellvertreterkriegs mittlerweile selbst erfüllte.

Auch bei der Blockade Katars durch Saudi-Arabien und einige Juniorpartner seit Mitte 2017 erhoffte sich MbS ein schnelleres Ergebnis und damit ein Einlenken Katars. Katar navigiert aber erfolgreich durch diese politische Krise. Im regionalen Kontext überwiegen die Misserfolge und zeigen Grenzen saudischer Regionalpolitik auf.

Die "jungen Wilden", MbS und sein väterlicher Freund, der Kronprinz von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed (MbZ), wirbeln den Golfkooperationsrat durcheinander. Traditionelle Vermittler aus Kuwait oder Oman beißen auf Granit.

Außenpolitische Emanzipation

Auf der internationalen Bühne läuft es dagegen auf den ersten Blick besser. US-Präsident Trump hält tapfer an MbS fest, trotz klarer Hinweise von seinen Geheimdiensten, dass MbS in die Ermordung des regimekritischen Journalisten Khashoggi verwickelt ist. Die Aussicht auf lukrative Rüstungsexporte wird hier ganz unverhohlen als Grund angeführt.

Die Europäer sind sich ebenso uneinig. Berichte, dass der angekündigte Stopp von Waffenlieferungen durch die deutsche Bundesregierung sehr durchlässig ist, sprechen eine eigene Sprache.

In diesem Chor unterschiedlicher Stimmen hat es Saudi-Arabien geschafft, sich außenpolitisch zu emanzipieren. Die stetig besser werdenden Beziehungen zu China und zu Russland zeigen deutlich den Kurswechsel und die damit verbundene Strategie Saudi-Arabiens, sich nicht nur auf den einen traditionellen Partner USA zu verlassen.

Die internationale Arena schafft nach innen kurzfristig eine Verschnaufpause. Letztlich wird MbS aber daran gemessen, ob er nach innen einen stabilen Konsensus über seine Politik herbeiführen kann.

Und hierfür braucht er schnelle politische und wirtschaftliche Erfolge, die derzeit in weiter Ferne sind. Erst kürzlich wurde die Teilprivatisierung von Saudi Aramco bis auf weiteres verschoben. Seine Politik verfällt zu einer Scheinmodernisierung mit umfassender Repression.

Stetige Monopolisierung der Macht

Zudem bricht sie bis dato mit vielen Grundpfeilern der politischen Ordnung, die traditionell auf viele Mitglieder der Al Sauds verteilt war. Die stetige Monopolisierung der Macht der Salman-Clique ist in der Herrscherfamilie nicht unumstritten. In der Vergangenheit waren es zumeist Konflikte unterschiedlicher Familienzweige, die sich nach den Ehefrauen des Staatsgründers ordneten.

Die traditionell einflussreichen "Sudairi-Sieben" sind nun längst kein Monolith mehr. Auf dem Weg zur Macht hatte MbS bereits Vertreter des "Sudairi-Zweiges" wie den ehemaligen Kronprinzen und Innenminister, Mohammed bin Nayef mit brachialen Mitteln politisch kaltgestellt.

Allerdings kehrte vor zwei Monaten der Onkel von MbS, Prinz Ahmad (seines Zeichens auch ein Sudairi), aus dem Exil zurück. Als Sohn des Staatsgründers verfügt Prinz Ahmad immer noch über Einfluss in der Herrscherfamilie.

Die Rückkehr des mächtigen Prinzen im Zuge der anhaltenden politischen Krise um die Ermordung Khashoggis ist sicher kein Zufall. Sie zeigt, dass die royalen Mitglieder zunehmend nervös werden und die Politik von MbS kritisch beäugen. Der Tod des "roten Prinzen", Talal bin Abdulaziz Saud, vor wenigen Tagen ruft zudem in Erinnerung, dass es Widerstandsnester innerhalb der Herrscherfamilie schon immer gab und sie eine stete Gefahr darstellen.

Und so wird über das Schicksal von MbS nicht in der internationalen Politik entschieden. Auch erratische Tweets aus dem Weißen Haus vermögen hier wenig zu verrichten. Ebenso wird die nur eingeschränkte öffentliche Debatte in Saudi-Arabien hier nichts erreichen. Am Ende hängt das Schicksal von MbS davon ab, ob er innerhalb seiner eigenen Familie einen Burgfrieden erreichen kann. Ausgang ungewiss! (Thomas Demmelhuber, Tobias Zumbrägel, 31.12.2018)