Einer von zwei "Fürstenpullover", die Erwin Wurm als Landschaftsbilder konzipierte, mit Konterfei des Landeshauptmanns a. D. Erwin Pröll.

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Der "Sozialistenpulli" als Fotokulisse im Palais Dietrichstein: Etwa im Februar 2016, als der damalige Kulturminister Josef Ostermayer im Beisein von Lilli Hollein den Ankauf des künstlerischen Nachlasses von Hans Hollein verlautbarte.

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Er sitze jedes Wochenende strickend vor dem Kamin, scherzte Erwin Wurm im Smalltalk mit dem steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhofer (ÖVP). Seit März 2016 ziert das Auftragswerk den Sitzungssaal in der Grazer Burg.

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In Anlehnung an den in China gefertigten steirischen Wandpulli folgte eine in Österreich produzierte Unisex-Variante, die über das "Steirische Heimatwerk" erhältlich ist (Link).

Foto: C. Jauschowetz, Steirisches Heimatwerk

Wann genau es sich begab, dass der einstige Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) seine Leidenschaft für das OEuvre von Erwin Wurm entdeckte, ist nicht überliefert. In der Chronologie der Ereignisse war es zeitlich wohl mit seinem Dienstantritt als Bundesminister für Kunst und Kultur im März 2014 verknüpft. Kein überdimensionales Essiggurkerl, auch keine verschlungenen Würste hatten es dem Minister angetan. Vielmehr begehrte er ein Werk aus dem Strickwarensortiment, eine von Wurm seit Jahren gepflogene Gattung. Ein schickes Wandkleid für das Palais Dietrichstein, in sattem Rot, mit rot-weiß-roten Bündchen, wurde beauftragt.

"Sozialistenpulli"

So weit die Genese des "Sozialistenpullis", der fortan als Fotokulisse bei offiziellen Presseterminen fungierte. Bisweilen mag der aus der Wand baumelnde Ärmel im Hintergrund durchaus für Verwunderung gesorgt haben. So als vorlautes Element einer sozialistischen Kulturpolitik, die bis heute nachwirkt – etwa an den davor verkündeten Personalentscheidungen gemessen, den auch in der Ära von Thomas Drozda abgehaltenen Direktoren-Defilees von Bogdan Roscic (Staatsoper, ab 2020) oder Martin Kusej (Burgtheater, Saisonbeginn 2019/20).

Eine Nationalratswahl später ward dieser Wandpulli Geschichte. Zu einem Ankauf war es nie gekommen, dafür hatte man Transport- und Materialkosten für die Fertigung in China übernommen, erzählt Thomas Drozda rückblickend. Dem Vernehmen nach lag der Aufwand in einer Größenordnung von 10.000, höchstens 30.000 Euro. Als Vizekanzler Heinz-Christian Strache in das Palais einzog, war das Werk bereits zurück zum Künstler transportiert worden.

Der Landespolitik zu Diensten

Es habe sich um eine Leihgabe gehandelt, erklärt Erwin Wurm auf Anfrage. Es blieb nicht bei diesem einen Strickpulli in politischem Umfeld, wiewohl er in einem STANDARD-Interview einst betonte, dass ihm seine "Kunst immer zu schade" für "Partei- und Tagespolitik" sei. In einem Gespräch mit dem Kurier erläuterte er wiederum, dass ihn "die Frage der Kunst im politischen Background" interessiere und er "die Macht und ihre Symbole" hinterfrage.

Insofern war es naheliegend, dass er stricktechnisch auch in den Bundesländern reüssierte. Etwa im Auftrag des steirischen Landeshauptmanns, den er im November 2015 in Venedig traf. "Ich sitze jedes Wochenende strickend vorm Kamin", soll der Künstler laut Kleine Zeitung gegenüber Hermann Schützenhofer (ÖVP) scherzhaft erklärt haben.

Feuerfurzender steirischer Panther

Das Ergebnis des Smalltalks ziert seit März 2016 das Sitzungszimmer in der Grazer Burg: eine 3,5 Meter hohe und zehn Meter lange Strickwand, die sich die Landesregierung exakt 29.945 Euro kosten ließ. Das besondere Merkmal dieses in charakteristischem steirischem Grün-Weiß gehaltenen Wandpullis ist das an historischen Vorlagen orientierte Wappentier. Wurms Panter speit allerdings nicht nur Feuer, sondern furzt es auch.

Man kann mittlerweile an diesem Design orientierte Unisex-Pullover (je 125 Euro) vom Steirischen Heimatwerk beziehen, seit Mai 2017 auch Dirndlkleider. Er hatte nichts dagegen einzuwenden, schildert Wurm, der 1954 im steirischen Bruck an der Mur geboren wurde. Der international gefeierte Künstler hat seinen Lebensmittelpunkt schon vor Jahren nach Niederösterreich verlegt, nach Maissau, in das Schloss Limberg. Ein Bundesland, in dem er große Wertschätzung genießt, wie er in einem Gastkommentar zum Abschied Erwin Prölls (ÖVP) in News darlegte.

Von und für Erwin

Die Chemie zwischen den Erwins passte wohl immer schon. 2015 heftete der Landeshauptmann dem Künstler das Silberne Komturkreuz ans Revers. Ab und an gab es auch finanzielle Unterstützung, etwa für die 57. Biennale von Venedig. Ein "Fürstenpulli" ließ nicht lange auf sich warten: konkret ein Duo, das Wurm als abstrakte Landschaftsbilder konzipierte, in für Niederösterreich typischer Gelb-Blau-Färbung, aus deren Mitte das Pröll'sche Konterfei grient – als aufgehende oder als untergehende Sonne, so die Lesart. Die Vorlage zum Porträt stamme übrigens von seiner Tochter, erzählt Vater Wurm.

Im April 2016 wurden die beiden Wandpullis im Zuge einer Ausstellung im Landesmuseum Niederösterreich erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Dann verschwanden sie wieder in Depots. Eine ursprüngliche Schenkung sei laut Erwin Wurm wieder rückgängig gemacht worden, nun aber wieder im Gespräch.

Geschenk an die Artothek

Vorläufig ungewiss war indessen das weitere Schicksal des von Josef Ostermayer für das Palais Dietrichstein georderten Wandkleides, für das bereits öffentliche Mittel ausgegeben wurden. Eine Anfrage bei dem nun unter ÖVP-Führung stehenden Bundeskanzleramt verlief vorerst ergebnislos. Gerüchteweise soll im November ein Ankauf über die Artothek im Raum gestanden sein. Wenige Tage vor Weihnachten kredenzte Erwin Wurm im Zuge eines Gesprächs mit dem STANDARD überraschend die Lösung: Er gedenke den "Sozialistenpulli" der Artothek des Bundes geschenkweise zu überlassen. (Olga Kronsteiner, 31.12.2018)