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America first – für etwas anderes hat Donald Trump keine Augen.

Foto: REUTERS James Lawler

Es war das Jahr, in dem die Hoffnung starb, Donald Trump könnte es im Wesentlichen bei seinen "America first"-Parolen belassen, ohne groß die Abrissbirne zu schwingen. Doch der US-Präsident stieg 2018 aus dem Atomabkommen mit dem Iran aus, womit er nicht nur die Europäer gründlich verprellte. Dann erhob er Zölle auf Stahl und Aluminium und drohte mit weiteren Barrieren, um die Autoimporte zu drosseln. Die mühsam erreichte Abschlusserklärung beim G7-Gipfel ließ er nachträglich platzen, weil er dem kanadischen Premier Justin Trudeau dessen kritische Worte gegen seine Zollpolitik übelnahm. China erklärte er einen Handelskrieg, bei dem sich nicht abschätzen lässt, ob er noch eskaliert oder aber entschärft werden kann.

Trumps Brechstangenpolitik war auch 2018 getragen von seiner Überzeugung, dass die USA überall besser abschneiden müssen als die anderen. Multilaterale Verträge und die liberale Ordnung stören da nur, da sie die Machtentfaltung behindern. In den europäischen Verbündeten sieht Trump Trittbrettfahrer, die sich auf den militärischen Schutzschirm der USA verlassen und sich zugleich des offenen Welthandels bedienen, um sie ökonomisch ins Hintertreffen zu bringen.

Bei der Basis weiter beliebt

Trump, der den Brexit bejubelt, weil dieser Europa schwächt, ist der erste Amtsinhaber im Oval Office, der die europäische Integration offen infrage stellt. Für ihn scheint die EU eher ein Störfaktor zu sein, er würde lieber einzeln mit Deutschland, Frankreich oder Italien verhandeln als mit dem Block als Ganzem.

So rüpelhaft sich Trump bisweilen auch benimmt: Seine Anhänger applaudieren ihm, in ihren Augen heiligt der Zweck noch immer die Mittel. Die Internationalisten wenden ein, dass der Nutzen Trump’scher Politik allenfalls kurzfristig ist, weil auf lange Sicht wertvolles Vertrauen verlorengeht. Doch aus Sicht seiner nationalistisch gesinnten Basis macht Trump alles richtig.

Habe nicht das Treffen mit Kim Jong-un bewiesen, dass der Ex-Unternehmer, der von Transaktion zu Transaktion denkt, nur allzu bereit ist, eingefahrene Gleise zu verlassen? Eben. Im Sommer überhäufte er den nordkoreanischen Diktator mit Lob, nachdem er ihn zuvor noch als kleinen, dicken "Raketenmann" verhöhnt hatte. Ob Trump recht behält mit seiner Prognose, es werde nun schnell gehen mit der nuklearen Abrüstung Nordkoreas, bleibt abzuwarten. Für seine Fans zählt bloß, dass sich ein Fenster öffnet, das zuvor verschlossen schien.

Harte Personalpolitik

Hatte man 2017 noch die Hoffnung gehabt, besonnenere Kräfte in seinem Kabinett würden Trumps Alleingänge schon irgendwie stoppen oder zumindest den Schaden begrenzen, so hat sich auch das mittlerweile als Wunschdenken entpuppt. Zu brutal ist Trumps Personalpolitik in dieser Hinsicht: Mit dem Außenminister Rex Tillerson und dem Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster setzte Trump zwei prominente Schadensbegrenzer vor die Tür.

Mike Pompeo, der neue Außenminister, teilt das "America first" seines Chefs, doch ohne so provokante Töne anzuschlagen. McMasters Nachfolger John Bolton ist so etwas wie der Oberfalke aus der Rumpelkammer: Er war abgeschrieben, doch Trump holte ihn zurück ins Rampenlicht, weil auch er die USA über alles andere stellt.

Streit um Militärstrategie

In dieser Atmosphäre nahm zum Jahresende John Kelly, der Stabschef im Weißen Haus, seinen Abschied. Ebenso James Mattis: Der Verteidigungsminister kündigte seinen Rücktritt aus Protest gegen die Entscheidung Trumps an, die US-Soldaten aus Syrien abzuziehen. Doch der US-Präsident blieb dabei: Er werde seine Syrien-Strategie nicht revidieren. Allerdings könnte der Truppenabzug "auf kluge Weise" verlangsamt werden, um die US-Interessen in Syrien und den Schutz der Verbündeten nicht aufs Spiel zu setzen, twitterte in der Neujahrsnacht der einflussreiche Trump-Vertraute Lindsey Graham.

Und sonst? Im Februar wurde eine Schule in Parkland in Florida zum Schauplatz eines weiteren Amoklaufs. War einem solchen Blutbad zuvor meist eine Art Schockstarre gefolgt, rüttelten die beeindruckend eloquenten Teenager der Stoneman Douglas High School die Öffentlichkeit diesmal mit fulminanten Protestaktionen auf. Der Name von Emma González ist seither aus der Debatte über striktere Waffengesetze nicht mehr wegzudenken.

Affäre um Kavanaugh

Im Herbst erlebte Washington einen jener Kulturkriege, die immer wieder aufs Neue zeigen, was für ein Riss quer durch die Gesellschaft geht. Anlass war die Nominierung von Brett Kavanaugh, einem umstrittenen, stramm konservativen Richter, für den Supreme Court. Trotz Vergewaltigungsvorwürfen bekam Kavanaugh das Mandat auf Lebenszeit zugesprochen.

Außerdem rollte eine Welle der Empörung durchs Land, nachdem erschütternde Bilder von der mexikanischen Grenze das liberale Amerika aufgewühlt hatten: Dass Migrantenkinder nach dem Überqueren des Rio Grande von ihren Eltern getrennt wurden, ließ manche an finsterste Geschichtskapitel denken, zu Jahreswechsel kam noch der Tod zweier Kinder in US-Obhut dazu. Die Mauer zu Mexiko beschwor Trump immer wieder, weil sie sich gar so gut für seine krude Rhetorik eignet. Der US-Präsident schreckte kurz vor Weihnachten auch nicht vor einem Shutdown zurück, um doch noch Finanzmittel dafür zu bekommen.

Einstimmung auf Wahlkampf 2020

Am Donnerstag wird der US-Kongress nach den Midterm-Wahlen vom November neu konstituiert, und zwar mit einer neuen demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus. Einer der allerersten Tagesordnungspunkte wird ein Budgetgesetz sein, mit dem diese Zwangsschließung von Teilen des Regierungsapparats beendet werden soll. Mittel für Trumps Mauer sind darin aber nicht vorgesehen, weshalb der Präsident dieses Gesetz schon vorab ablehnt.

Dennoch: Nunmehr haben die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus, womit sie jetzt dem Präsidenten Hürden in den Weg stellen können, statt wie bisher in zähneknirschender Machtlosigkeit zuschauen zu müssen. Die Zeiten, in denen Donald Trump ungebremst regieren kann, sind damit fürs Erste vorbei. Und schon geben sich potenzielle Kandidaten für den Präsidentschaftswahlkampf zu erkennen. Als Erste trat Senatorin Elizabeth Warren ins Rampenlicht, weitere werden folgen. Angriffsflächen bietet Trump den Demokraten jedenfalls genug. (Frank Herrmann aus Washington, Gianluca Wallisch, 2.1.2019)