Chinas starker Mann Xi Jinping forderte in einer Rede am Mittwoch die Zusammenführung mit der "Familie" auf Taiwan zum "frühesten" Zeitpunkt.

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Taiwans Präsidentin Tsai Ying-wen, Verfechterin eines Status quo für Taiwan, wies die Drohungen zurück.

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Peking verschärft in Sachen Wiedervereinigung seine Gangart: Ein ungeduldig wirkender Präsident Xi Jinping forderte Taiwan am Mittwoch auf, mit China zum "frühesten Zeitpunkt" die politischen Gegensätze zu lösen. "Die Landsleute auf beiden Seiten der Taiwanstraße sind eine Familie", sagte er. Ihre Angelegenheiten seien daher "Familiensache. Selbstverständlich gehen sie auch nur Familienmitglieder etwas an." Lösungen könnten nicht "von einer Generation auf die andere verschoben werden".

2013, nachdem Xi sein Amt als Partei-, Staats- und Armeechef angetreten hatte, sprach er erstmals von der Wiedervereinigung als einem Akt der Familienzusammenführung. Nun sagte er: Taiwan "ist ein Teil Chinas, zu dem beide Seiten der Taiwanstraße gehören". Daran könne "niemand und keine Macht etwas ändern". Erst recht nicht an der "großen Lage der Geschichte, dass der Staat stark ist, die Nation wiederaufersteht und beide Seiten vereint sind".

Chinesische Intellektuelle, die nicht genannt werden wollen, sagten früh voraus, dass Xi die Wiedervereinigung nicht auf die lange Bank schieben würde, sondern sie auf die Tagesordnung der chinesischen Politik setzen und zugleich zu seiner Chefsache machen würde. Reformarchitekt Deng Xiaoping habe die Rückkehr Hongkongs bewirkt. Xi wolle in die Geschichte eingehen als derjenige, der die Wiedervereinigung mit Taiwan nach dem Prinzip "ein Land, zwei Systeme" auf den Weg gebracht hat.

Präsidentin stellt Vorbedingungen

Taiwans politisch geschwächte Präsidentin Tsai Ying-wen, Verfechterin des Status quo für Taiwan, wies Xis Drohungen zurück. In ihrer Neujahrsansprache hatte sie tags zuvor "vier muss sein" als Vorbedingungen für bessere politische Beziehungen mit Peking formuliert. China müsse das Bestehen der Republik China anerkennen, die demokratischen Werte und Freiheiten seiner 23 Millionen Bürger, alle beiderseitigen Probleme friedlich lösen und Verhandlungen mit der Regierung oder einer Institution aufnehmen, die das offizielle Mandat dazu hat.

Xi und Tsai sprechen nicht die gleiche Sprache. Er warnte die Unabhängigkeitsbewegung Taiwans und indirekt auch die USA vor jedem Versuch zur Obstruktion der von ihm verfolgten Pläne. Wiedervereinigung sei ein "Kerninteresse" Chinas. Peking wolle zwar "äußerste Anstrengungen unternehmen", um sie friedlich zu erzielen. "Chinesen führen keinen Krieg gegen Chinesen." Aber es ginge auch anders: "Wir werden keinen Gewaltverzicht erklären", man behalte sich alle "notwendigen Maßnahmen" vor. Das richte sich nicht gegen Landsleute, sondern gegen "ausländische Mächte, die sich einmischten, oder gegen Unabhängigkeitselemente und Spalter".

Es war nicht Chinas einzige Drohung, die das Taiwan-Problem explosiv machen könnte. Vor der Rede von Xi erinnerte der Vizechef des Volkskongresses, Wang Chen, an das "Antisezesssionsgesetz", das der Volkskongress "mit hoher Zustimmung" im März 2005 beschlossen hatte. Es ist eine Ermächtigung des chinesischen Parlaments, kriegerisch in Taiwan einzugreifen, falls sich die Inselrepublik über eine Verfassungsänderung für unabhängig erklärt oder per Referendum darüber abstimmen lässt.

Langer Weg zur Normalisierung

Der Anlass für Xis Rede war der 40. Jahrestag einer am 1. Jänner 1979 an die "Landsleute auf Taiwan" gerichteten Botschaft der Entspannung vom Volkskongress. Nach Jahrzehnten von Feindseligkeiten seit dem 1945 ausgebrochenen Bürgerkrieg, in dessen Folge sich die von Maos Truppen geschlagene Nationalarmee nach Taiwan flüchtete und dort ihre eigene Regierung errichtete, erklärte sich Peking bereit, alle kriegerischen Handlungen gegen Taiwan einzustellen.

Es ließ Post-, Frachtschiff- und Handelsbeziehungen öffnen und ersetzte seine frühere Kampfparole "Taiwan zu befreien" durch "friedliche Wiedervereinigung". Pekings Angebot öffnete den Weg zur Normalisierung bis auf die ungelösten politischen Beziehungen.

Ein oder zwei Chinas?

Taiwan heißt offiziell "Republik China". Was als China bekannt ist, heißt offiziell Volksrepublik China. Dass sich beide Länder eigentlich "China" nennen, zeigt die Problematik der zwei Länder deutlich auf. 1992 einigten sich die zwei Länder inoffiziell auf den Ein-China-Konsens. Er beruht auf dem Kompromiss, dass es nur ein China gibt – wer darüber legitimerweise regiert, bleibt offen.

Jahrelang näherten sich so die zwei Länder an, es herrscht reger Austausch untereinander. Allein 2017 besuchten sich die Bürger auf beiden Seiten 8,78 Millionen Mal, der Handelsaustausch erreichte fast 200 Milliarden US-Dollar (rund 175 Milliarden Euro). Liu Jieyi, Leiter des Taiwan-Büros beim Staatsrat, sagte: In den 30 Jahren seit 1988 investierten taiwanische Geschäftsleute in 105.000 Projekte in China.

Das hat Taiwan allerdings hochgradig abhängig von der Volksrepublik gemacht. 90 Prozent aller Erzeugnisse seiner Informations- und Kommunikationstechnologien werden heute in China hergestellt, 50 Prozent seines Maschinenbaus, 60 Prozent seiner Elektronik, meldete Taiwans Nachrichtenagentur. Ausgerechnet auf solche Produkte zielen die Strafzölle der USA gegen China ab. Taiwan gerät damit zwischen die Stühle. (Johnny Erling aus Peking, red, 2.1.2019)