Carmen Thornton ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Trennungen und Scheidungen sowie Obsorge- und Unterhaltsverfahren. Auf derStandard.at/Familie beantwortet sie rechtliche Fragen bezüglich des Familienlebens.

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Nach den Weihnachtsfeiertagen haben Opfereinrichtungen zum Schutz vor häuslicher Gewalt – zum Beispiel der Frauennotruf oder die Frauenhäuser – leider Hochsaison. Dass Opfer von häuslicher Gewalt im Notfall rund um die Uhr kostenlose Hilfe bekommen, ist eine große Errungenschaft und in anderen Ländern leider nicht so selbstverständlich. Doch abseits von der unverzichtbaren Arbeit der Opferschutzeinrichtungen besteht auch in Österreich vor allem bei der Gewaltprävention noch viel Nachholbedarf, und das liegt auch an der Rechtslage.

Bei Gewaltvorfällen kann die Polizei den Täter zwar aus der Wohnung wegweisen und ein Betretungsverbot aussprechen. Dieses ist aber grundsätzlich auf zwei Wochen befristet. Wenn das Opfer in dieser Zeit keine einstweilige Verfügung beantragt, kommt der Täter bald wieder in die Wohnung zurück, und meistens kommt es dann früher oder später erneut zu einem Gewaltvorfall. Und selbst mit einer einstweiligen Verfügung ist das eigentliche Problem nicht gelöst. All diese Maßnahmen schützen das Opfer zwar (zumindest vorübergehend) vor weiteren Übergriffen, sie ändern aber nichts an der Gewaltbereitschaft des Täters, der daher mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder gewalttätig wird.

Gezielte Täterarbeit ist nötig

Natürlich muss zunächst ein ausreichender Schutz der Opfer gewährleistet sein. Damit ist es aber noch nicht getan. Um Opfer wirksam und nachhaltig zu schützen, ist daher eine gezielte Täterarbeit mit eigens geschulten Psychologen und Sozialarbeitern nötig.

Leider gibt es in Österreich jedoch kaum rechtliche Möglichkeiten, den Täter nach einem Gewaltvorfall zur Teilnahme an einem Täterprogramm zu verpflichten. Derzeit kann die Absolvierung eines Anti-Gewalt-Trainings nur in Obsorge- oder Kontaktrechtsverfahren zum Schutz des Kindes angeordnet werden. Für einen nachhaltigen und wirksamen Opferschutz benötigt es weitere Maßnahmen des Gesetzgebers und der Politik.

Täter muss Gewaltproblem anerkennen

Einerseits wäre es wünschenswert, wenn Täter nach einer Wegweisung ein verpflichtendes Anti-Gewalt-Training absolvieren müssten. Denn freiwillig sind dazu nur die wenigsten Täter bereit; einerseits wegen der hohen Kosten, hauptsächlich aber wegen der fehlenden Einsicht und der mangelnden Bereitschaft, sich ihre Tat einzugestehen. Der Erfolg der Präventionsarbeit liegt aber gerade darin, dass der Täter sein Gewaltproblem anerkennen kann und dazu motiviert wird, das eigene Verhalten zu verändern.

Andererseits muss auch die Politik die Notwendigkeit der opferschutzorientierten Täterarbeit anerkennen und für Anti-Gewalt-Programme auch die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen zu Verfügung stellen. Dies darf aber natürlich nicht auf Kosten der für die Opferschutzeinrichtungen vorgesehenen Subventionen gehen. Denn der Kampf gegen häusliche Gewalt wird langfristig nur durch eine Kombination aus Opferschutz und Präventionsarbeit gelingen. (Carmen Thornton, 3.1.2019)