US-Truppen bei Manbij, 30. Dezember 2018.

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Die Lage in Syrien bleibt unübersichtlich und hochexplosiv. Die Kurdenmiliz YPG (Volksverteidigungseinheiten) hatte Ende Dezember Truppen von Diktator Bashar al-Assad nach Manbij gerufen. Kurz darauf revidierte US-Präsident Donald Trump seine Abzugspläne. Und Mittwochabend sollen nun Kämpfer der Kurdenmiliz die Stadt verlassen haben. Dabei soll es sich um etwa 400 Kämpfer auf rund 30 Fahrzeugen gehandelt haben. Die Informationen stammen vom syrischen Verteidigungsministerium und der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Der Militärrat der Stadt dementierte die Informationen hingegen.

Die Stadt Manbij liegt nur etwa 30 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Hier stoßen die Einflusssphären von drei Kriegsparteien aufeinander: Westlich von Manbij liegt das von Rebellengruppen kontrollierte Afrin. Sie werden von Ankara unterstützt. Auch Einheiten der türkischen Armee befinden sich dort. Im Süden herrschen die Truppen des Machthabers Assad mit Unterstützung Moskaus.

Der türkische Präsident Tayyip Erdogan hatte Mitte Dezember angekündigt, bald gegen die YPG östlich des Euphrat-Flusses vorzugehen, nicht aber einen genauen Zeitpunkt genannt. Ankara hält die Kurdenmiliz für einen verlängerten Arm der in der Türkei verbotenen Terrororganisation PKK und verlangt seit Jahren die Einrichtung eines 30 Kilometer breiten Sicherheitsstreifens auf der syrischen Seite der Grenze. Manbij liegt westlich des Euphrats und dürfte damit das erste Ziel der Offensive sein.

Umstrittene US-Entscheidung

Durch die überraschende Ankündigung Trumps, die 2.000 US-Soldaten aus Syrien so schnell wie möglich abzuziehen, hatte Ankara zunächst freie Bahn erhalten.

Trumps Entscheidung war im Pentagon heftig kritisiert worden, Verteidigungsminister Jim Mattis kündigte sogar seinen Rücktritt an. Anstatt der zunächst angekündigten 30 Tage war dann von 120 Tagen die Rede. Am vergangenen Mittwoch sagte Trump gar, der Abzug fände über "eine gewisse Zeitspanne" statt. Außerdem wolle man die kurdischen Milizen schützen und sicherstellen, dass die türkische Armee und die YPG nicht aufeinanderstoßen.

Es waren vor allem YPG-Truppen, die die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) bekämpft hatten. Die USA hatten die YPG mit Luftschlägen, Spezialtruppen und Ausbildern unterstützt. Ankara fordert seit Jahren, dass sich die YPG in Gebiete östlich des Euphrat zurückziehe. Erdogan hatte zwar angekündigt, den Kampf gegen den IS nach dem US-Truppenabzug fortzusetzen. Das betonte er auch beim Besuch des irakischen Präsidenten Barham Salih in Ankara. Sein Hauptinteresse dürfte aber den kurdischen Milizen gelten. Ende Dezember war eine türkische Delegation nach Moskau gereist, wohl um sich dort Lufthoheit über die nordsyrischen Grenzgebiete zuzusichern.

Die YPG hat der türkischen Armee wenig entgegenzusetzen, weswegen der Rückzug vor allem strategische Gründe haben dürfte. Unterdessen löst der angekündigte US-Truppenabzug auch in anderen Gebieten Unruhen aus. So soll es auch in der nordwestlichen Provinz Idlib zu Kämpfen zwischen Rebellengruppen gekommen sein. 50 Menschen kamen dabei ums Leben. (Philipp Mattheis aus Istanbul, 3.1.2019)