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Bitte zu Hause nicht nachmachen, appelliert Netflix: Sandra Bullock und Kinder versuchen mit Augenbinden in "Bird Box", einem mörderisch bösen Blick zu entgehen.

Foto: AP/Merrick Morton

Der globale Streamingriese Netflix hat längst die nötige Schwungmasse erreicht, um Trends zu setzen. Und nicht allein Trends unter den größten Fernseh- und Techkonzernen der Welt, die hektisch an Streamingplattformen arbeiten gegen den Herausforderer und sein vielmilliardenschweres Produktionsbudget.

Netflix vermag auch gesellschaftliche Trends anzustoßen, Trends über das Komaschauen von ganzen Serienstaffeln hinaus. Zum Beispiel ein Revival des Blinde-Kuh-Spiels. Natürlich zeitgemäß und Social-Media-tauglich verschärft.

"Bird Box Challenge" nennt sich die nächste Schadenfreudeschauwelle, inspiriert vom aktuellen Netflix-Horrorthriller Bird Box. Dort flieht, grob gesagt, eine Mutter (Sandra Bullock) über Tage mit ihren Kindern in einem Boot vor dem Bösen. Und weil dieses allgegenwärtige Böse die Menschen beim Blickkontakt dazu bringt, sich umzubringen, haben sich die Fliehenden die Augen verbunden.

Die danach benannte Social-Media-Challenge, in groben Zügen: mit verbundenen Augen durch die Welt – gerne auch einmal 24 Stunden, gerne auch, ebenfalls im Video dokumentiert, mit Verletzungen. Als blinde Kuh durch das eigene Haus – oder auch über Rolltreppen.

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"Bitte verletzt euch nicht"

Netflix staunte und warnte gerade über seinen offiziellen Twitter-Account: "Ich kann nicht glauben, dass ich das sagen muss: Bitte verletzt euch nicht bei dieser Bird Box-Challenge." Das klassische Fernsehen kennt die Warnungen seit Jahrzehnten von spektakulären Showeinlagen: "Don’t try this at home!" Oder: "Liebe Kinder, bitte nicht zu Hause nach machen!" von Thomas Gottschalk in der TV-Showlegende Wetten, dass..?.

Die gesellschaftliche Schwungmasse von Netflix bemisst sich – neben gewaltigem Marketingaufwand und Medienwirbel – in seinen Abozahlen. 137 Millionen "Memberships" hat die Streamingplattform bis Herbst 2018 erreicht, gut 58 Millionen davon auf dem Heimmarkt USA.

In den ersten sieben Tagen wurde Bird Box laut Netflix von 45 Millionen Kundenkonten abgerufen.

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Knapp 60 Prozent der US -Bevölkerung nutzen schon (Bezahl-)Streamingdienste, ergab etwa eine CNBC-Umfrage (mit überschaubaren 800 Antwortenden). Die Hälfte von ihnen nutzt demnach Netflix, Amazon Prime kommt auf 33 Prozent Marktanteil der Streamingnutzer, 14 Prozent Hulu.

Nutzung in Österreich

In Österreich lassen die Rundfunkregulierung RTR und die TV-Sender die Bewegtbildnutzung mit insgesamt 4000 Interviews der GfK Marktforschung jährlich erheben. Ergebnis 2018: 26 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren nutzen täglich Streamingdienste (und 76 Prozent Livefernsehen). In der jüngsten Zielgruppe streamten "gestern" 54 Prozent und sahen 51 Prozent am Vortag linear fern.

Streaming schließt hier aber auch Youtube ein, mit den weitaus höchsten Werten. Von der gesamten täglichen Bewegtbildnutzung entfielen laut GfK 2018 in Österreich 1,9 Prozent auf Netflix. Beim jüngeren Publikum zwischen 14 und 39 Jahren sind 4,7 Prozent. Grob doppelt so hoch der Marktanteil von Youtube.

Youtube, klarer Weltmarktführer der Onlinevideos und mit der großen Konzernschwester Google auch im globalen Werbegeschäft, hat seine Schwungmasse für gesellschaftliche Trends längst eindrucksvoll bewiesen, wie auch Facebook und Konzerntochter Instagram. Mit gestrecktem Herumliegen seiner User an absurden und/oder gefährlichen Orten. Mit der kameradokumentierten Einnahme von Gewürzen in ungesunder Dosierung oder auch von Waschmitteltabs. Mit Eiswürfelduschen aus dem Kübel, immerhin mit Spendenappell für einen karitativen Zweck verbunden. (Harald Fidler, 3.1.2019)