Thema der ersten Sendung von "Einsatz live" auf ATV: Polizisten der Wega nach dem Überfall auf eine Klosterkirche in Wien-Floridsdorf.

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Wien – Dass es in Wien zu einem Raubüberfall mit fünf verletzten Ordensbrüdern kommt, ist nicht gerade alltäglich. Auch nicht gerade alltäglich ist, dass die Durchsuchung der Kirche nach der Tat von einem Kamerateam begleitet wird – geschehen ist das Ende Dezember 2018, als in der Floridsdorfer Klosterkirche Maria Immaculata Beamte der Sondereinheit Wega vor Ort waren, um den Tatort zu sichern. Mit dabei war auch der Privatsender ATV.

Der Fall mit den Ordensbrüdern ist einer von drei, die am Samstag, 5. Jänner, um 20.15 Uhr auf ATV im neuen Format "Einsatz live" zu sehen sind. Ein anderer ist die Erstürmung der Wohnung eines mutmaßlichen Drogendealers. Für ATV sind spektakuläre Polizeieinsätze in der vorerst achtteiligen Reihe Glücks-, aber keine Zufälle: "Natürlich ist es spannend, wenn Aufregendes passiert, es geht uns aber auch um die Begleitung der Beamten", sagt ATV-Programmdirektor Oliver Svec zum STANDARD: "Wir begleiten gewisse Teams an gewissen Tagen."

Mail zu kritischen Medien

Das Konzept zur Sendung sorgte Ende September 2018 für Diskussionen und Kritik, als eine Mail aus Herbert Kickls (FPÖ) Innenministerium an die Polizeidienststellen vom STANDARD veröffentlicht wurde, in der Anregungen zur Pressearbeit kommuniziert wurden – etwa dass Informationen für kritische Medien wie STANDARD, "Kurier" oder "Falter" beschränkt werden sollten: "Ansonsten erlaube ich mir vorzuschlagen, die Kommunikation mit diesen Medien auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken und ihnen nicht noch Zuckerln wie beispielsweise Exklusivbegleitungen zu ermöglichen ...", schrieb Kickls Ressortsprecher Christoph Pölzl.

Als Positivbeispiel pries Pölzl in dem Schreiben das ATV-Format als eine Art PR-Produkt der Polizei an: "Jede Folge wird abgenommen und geht erst nach positiver Abnahme auf Sendung." Es handle sich dabei um "imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit". Heute sagt Pölzl auf STANDARD-Anfrage, dass die "Abnahme nicht im redaktionellen Sinn gemeint" war, sondern sich "lediglich auf rechtliche Erfordernisse" bezogen habe: "Damit beispielsweise keine Rechte von Betroffenen verletzt werden oder laufende Ermittlungen nicht beeinträchtigt werden. Eingriffe in die redaktionelle Gestaltung oder gar eine etwaige redaktionelle Verantwortungsübernahme waren und sind kein Thema."

Auszug aus dem Schreiben aus dem Innenministerium.
Foto: derstandard.at

ATV stellte nach dem Mail übrigens umgehend klar, dass die redaktionelle Hoheit beim Privatsender liege. Sollte es zu Versuchen kommen, in die Gestaltung einzugreifen, werde man das Format stoppen, ließ ATV im September via Aussendung verlauten.

ATV: Keine Mitsprache der Polizei

Dreieinhalb Monate später betont auch ATV-Geschäftsführer Thomas Gruber im Gespräch mit dem STANDARD noch einmal, dass die redaktionelle Hoheit über "Einsatz live" "ausschließlich bei ATV" liege: "Das ist keine PR-Sendung der Polizei." Die Kosten trage rein ATV. Einen Produktionskostenzuschuss vom Innenministerium gebe es nicht. Die Entscheidung, wer als Experte ins Studio komme, um die gezeigten Fälle zu diskutieren, sei Sache der Redaktion. In der ersten Sendung ist beispielsweise Ernst Albrecht, Kommandant der Wega, zu Gast bei Moderator Stephan Sommeregger.

"Einsatz live" beruhe zur Gänze auf realen Einsätzen, sagt Gruber: "Gäbe es diese redaktionelle Hoheit nicht, würde es auch das Format nicht geben." Die Sendung werde auch nicht von der Polizei "abgenommen", wie der Ressortsprecher des Innenministeriums in der Mail schrieb. Sehr wohl gebe es aber rechtliche Aspekte, die vorab geprüft werden müssten, erklärt ATV-Programmdirektor Svec: "Weil zum Beispiel Opfer geschützt werden müssen oder weil es um laufende Ermittlungen geht."

Polizei ist mit Pressebetreuer vor Ort

Die Umsetzung von "Einsatz live" erfolgt über die einzelnen Landespolizeidirektionen, teilt Daniela Tunst von der Pressestelle in Wien auf STANDARD-Anfrage mit. Im Einsatz sind bundesländerübergreifend sieben Produktionsteams von ATV. "Die betreffenden Polizisten werden durch ein Kamerateam begleitet, wobei auch stets eine Pressesprecherin oder ein Pressesprecher der jeweiligen Landespolizeidirektion vor Ort ist, um die Rechte der Betroffenen beziehungsweise Unbeteiligter zu wahren, aber auch um Informationen direkt vor Ort geben zu können", so Tunst.

Der Paarlauf zwischen der Polizei und ATV existiert bereits seit vielen Jahren. Seit 2005 rückt der Privatsender Formate wie "Wachzimmer Ottakring" oder andere Reportagen ins Programm, die den Polizeialltag dokumentieren. "Dementsprechend ist auch ein gegenseitiges Vertrauen da. Wir wollen den Alltag der Polizei so darstellen, wie er ist", erklärt ATV-Geschäftsführer Gruber.

Imagebildung: "Transparenz und Bürgernähe"

Von der Kooperation profitieren sowohl ATV als auch die Polizei: Was dem einen gute Quoten bringt, ist für den anderen gratis Imagewerbung. Das bestätigt auch Daniela Tunst von der Polizei. "Einsatz live" erlaube der Bevölkerung einen "tiefgehenden Einblick in die Polizeiarbeit und ein besseres Verständnis für diesen herausfordernden Beruf". Und: "Zudem werden über dieses Format auch Präventionstipps vermittelt, sodass vor aktuellen Phänomenen wie beispielsweise dem Neffentrick gewarnt werden kann." Das schaffe "Transparenz und Bürgernähe".

Vehikel zur Rekrutierung

Durch das Studioformat bestehe auch die Möglichkeit, "das Aufnahmesystem und die Polizeiausbildung entsprechend zu erklären". Die redaktionelle Verantwortlichkeit befinde sich "natürlich ausschließlich bei ATV", betont auch sie. Grundsätzlich kämen alle Medien – und nicht nur ATV – zum Zug. Die Landespolizeidirektion Wien organisiere beispielsweise regelmäßig mediale Begleitungen wie "Einsatztrainings für Journalisten". Auch ein STANDARD-Redakteur habe daran teilgenommen.

"Einsatz live" soll sich aber keineswegs nur auf die Polizeiarbeit beschränken, sondern auf alle Einsatzkräfte ausgeweitet werden, sagt ATV-Programmchef Svec und konkretisiert: "Rettung, Verkehrsbereiche, bei größeren Katastrophen könnte es sogar das Bundesheer sein. Potenziell sind alle Einsatzkräfte in Österreich Thema dieser Sendung."

Neuer Samstag auf ATV

Mit der Neuaufstellung des Samstagabendprogramms startet ATV seinen dritten Eigenproduktionstag – neben Mittwoch und Donnerstag. Nach dem Kauf durch ProSiebenSat1Puls4 vor eineinhalb Jahren wurde das ATV-Sendeschema neu aufgestellt. Mit Erfolg: ATV hat zu Puls 4 aufgeschlossen. Beide erreichten im Jahr 2018 einen Marktanteil in der allgemeinen Zielgruppe ab zwölf Jahren von 3,3 Prozent, wobei ATV gegenüber 2017 ein Plus von 0,7 Punkten verzeichnen konnte.

In punkto Quoten soll "Einsatz live" das bisherige Primetimeprogramm, die US-Krimiware "Criminal Minds", toppen: "Die Tendenz ist, dass die Quoten bei US-Fictionserien eher rückläufig sind. Das Ziel ist, besser zu performen." Laut Gruber liegt der Senderschnitt am Samstag in der Primetime bei knapp 3,8 Prozent.

Fünfte Staffel für "Wachzimmer Ottakring"

"Einsatz live" soll das Fundament für den neuen Samstabend auf ATV sein, um neue Zuseherschichten zu gewinnen. Weitere Bausteine kommen dazu, sagt Gruber: "Mit neuen Reportagen um 21.20 und 22.20 Uhr wie zum Beispiel '24 Stunden – Leben auf der Autobahn' oder dann um 22.20 Uhr mit der ATV-Reportage 'Wachzimmer Ottakring' kommt mit der fünften Staffel retour."

Ob und in welcher Form "Einsatz live" nach den acht Folgen weiter produziert wird, werde die Bilanz zeigen. Das Nachfolgeformat ab dem Frühjahr steht bereits fest: eine vierteilige Reihe über "Antiterror-Herausforderungen in Europa". ATV hat eine länderübergreifende Antiterrorübung in Europa mit Kameras begleitet und aus dem Material vier Sendungen destilliert. (Oliver Mark, 4.1.2019)