Heute fühlt sie sich in Wien pudelwohl, die schweizerisch-österreichische Unternehmerin Ljuba Manz. Als sie nach dem Zweiten Weltkrieg in der Geburtsstadt ihres Vaters lebte, war das anders.

Foto: Regine Hendrich

Mit den Wienern hat sich Ljuba Manz versöhnt. Todunglücklich, völlig verzweifelt sei sie bei ihrem langen ersten Aufenthalt in Wien, der Heimatstadt ihres Vaters, gewesen, erzählt die 78-jährige Unternehmerin aus der Schweiz, längst habe sie den Wienern aber verziehen. Ljuba Manz' Familie gehören die Manz Privacy Hotels Switzerland, die sie ab 1989 geführt hat. Traditionsreiche Häuser wie das St. Gotthard in der Zürcher Bahnhofstraße gehören dazu, das Grand Hotel Euler in Basel und das Genfer Hotel de la Paix. Der Luxustempel wird seit kurzem von Ritz Carlton gemanagt – nachdem Manz 25 Millionen Schweizer Franken investiert und das Haus aufgepeppt hatte.

Sie selbst ist noch Verwaltungsratspräsidentin der Gesellschaften und für deren Finanzen verantwortlich, erzählt die 1940 im sowjetischen Charkow geborene Frau, auch Mitspracherechte stehen ihr zu. "Ich bin die letzte Instanz. Einer muss ja den Kopf hinhalten", beschreibt Manz die Rolle, in die sie nach ihrer Heirat mit dem bekannten Zürcher Hotelier Caspar Manz 1974 hineingewachsen war. Mit ihm hat sie zwei Söhne (Zwillinge), er starb 2010.

Königin oder Zarin?

"Hotelkönigin" wird die lebhafte alte Dame in der Schweiz genannt – obwohl ihr doch "Zarin" lieber wäre, wie sie in Anspielung auf ihre Herkunft meint. Wobei: In ein einziges Schachterl lässt sich Manz nicht pressen, jedenfalls nicht, wenn es um Herkunft, Nationalität und Gemüt geht. "In meinem Kopf bin ich Schweizerin, in meinem Herzen Wienerin, in meiner Seele Russin. Und in meinem Körper bin ich sehr gern Italienerin", lacht sie, und ihr um 30 Jahre jüngerer in Wien lebender Mann, der beim Gespräch in der Präsidentensuite des Wiener Ritz Carlton dabei ist, lacht mit. Russische Seele – Wiener Herz heißt auch die jüngst im Schweizer Stämpfli-Verlag erschienene Biografie über "die Manz", zu der man sie – vergleichbare Karriere vorausgesetzt – in Wien wohl geadelt hätte.

Tatsächlich liest sich der Lebenslauf von Ljuba Manz wie ein Stück europäischer Zeitgeschichte, mitsamt einem Schuss Glanz und Glamour. Und wie hängt das alles mit Wien zusammen?

Seit ihrer frühen Kindheit in Usbekistan, wohin ihre Familie 1941 geflüchtet war, leidet Manz an Malaria.
Foto: Regine Hendrich

Zeitgeschichte pur

Ignaz Gruber, Manz' Vater, stammte aus Wien, muss 1933 als Mitglied des antifaschistischen Schutzbundes fliehen – und landet im heute ukrainischen Charkow, wo er als Fußballtrainer arbeitet und Lydia heiratet. 1940 kommt Ljuba zur Welt, als die Deutschen kommen, flieht die kleine Familie 3000 Kilometer nach Osten, bis ins usbekische Namangan. "Sie haben meinen österreichischen Vater mit uns und ein paar jüdischen Familien in den letzten Viehwaggon gesetzt, der Charkow verließ", erzählt Manz.

In Namangan arbeitet die Mutter in den Reisfeldern, ihr Baby aus Angst vor Schlangen und Skorpionen an den Körper gebunden. 1946 kehren die Grubers zurück nach Charkow, Mutter und Tochter mit Malaria, die Manz bis heute plagt. Letztlich landet die Familie in Moskau. Die Russen brauchen Leute wie Ignaz Gruber, Leute, die Deutsch können und die sie in die von den Alliierten besetzten Gebiete schicken können. Und so schicken die Sowjets die Grubers in die Vier-Zonen-Stadt Wien, Tochter Ljuba ist acht Jahre alt.

Verachtung für "Besatzungskind"

In Wien sei ihr allerdings nichts als Verachtung entgegengeschlagen, erinnert sich die Unternehmerin heute noch. Als "Russen- und Kommunistenkind" habe sie sogar die Lehrerin bezeichnet, "und Russen wollten die Wiener nicht". Heute sieht sie es so: "Die Zeit war gegen mich, ich war zur falschen Zeit am richtigen Ort. Heute bin ich glücklich in Wien, fühle mich pudelwohl und liebe den Wiener Schmäh und Charme." Wobei: Ihr 1933 geflohener Vater – er kehrte in die UdSSR zurück- habe nie einen Groschen von Österreich an Entschädigung bekommen. "Er war sein Leben lang bettelarm. Ich habe meine Eltern ernährt".

An dem Punkt kommen Glamour & Glitter ins Spiel. Denn Ljuba Manz blieb in Wien, maturierte, absolvierte eine Tanzausbildung. Und landete im Moulin Rouge, "als Solistin in der ersten Reihe. Ich war ein Star". Vor allem aber verdiente sie Geld für die ganze Familie. Das tat sie auch in den folgenden Jahren: Als Vedette-Tänzerin (später hätte man Showgirl gesagt) reisten Manz und Partner als "Duo Helinsky" durch die Weltgeschichte.

Vom Tanzen in die Wirtschaft

In der Schweiz wechselte sie dann das Fach und in die Wirtschaft. Ab da ging es Schlag auf Schlag. Nach einer Ausbildung an einer Handelsschule heuerte sie im Geflügel- und Meerestier-Betrieb der Coop an, machte weitere Ausbildungen und wurde selbstständig. Bei einem Akquisitionsgespräch (es ging um Austernlieferungen) lernte sie Caspar Manz kennen, gewann ihn als Kunden und heiratete ihn; gleich nach der Scheidung von ihrem ersten Mann.

Die Hochzeit fand übrigens in Wien statt, man wohnte im Hotel Sacher. Und es wäre nicht Ljuba Manz, gäbe es nicht auch dazu eine Pretty Woman-reife Geschichte. Im Sacher hatte man ihr einst die Bedienung versagt, wie sie erzählt. "Ich wollte mir einmal ein Stück Sachertorte mit Schlag und eine Tasse Kaffee leisten. Ein Traum für ein Wiener Madl! Ich wartete und wartete, und dann beschied mir der Kellner: Fräulein, Sie werden hier nicht bedient, bitte verlassen Sie das Café. Als ein Herr vom Nebentisch sagte, ich gehöre zu ihm, wurde ich bedient."

Viele Jahre später habe man ihr seitens der Eigentümerfamilie Gürtler dann angeboten, das Hotel Sacher zu managen. Da hatte sie aber schon ihre eigenen Hotels. (Renate Graber, 5.1.2019)