Die orthodoxe Kirche feierte Sonntag das Fest der Taufe Jesu mit symbolischem Eintauchen in kalte Gewässer. Besonderen Grund zu Feiern sahen der ukrainische Präsident Petro Poroschenko (2. li.) und Metropolit Empiphanius (re.), die sich in Instanbul über die Anerkennung einer Ukrainischen Kirche durch Patriarch Bartholomeos (2. re.) freuten. Moskau, bisher Schirmherr der Kiewer Kirche, reagierte frostig.

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Für säkulare Zeitgenossen mag es sich nach einem nerdigen Randthema anhören. Tatsächlich aber hat das, was am Sonntag in der Georgskathedrale in Istanbul geschah, geopolitische, vielleicht sogar historische Dimensionen. Da überreichte nämlich der Patriarch von Konstantinopel den sogenannten Tomos, eine Urkunde, an den Metropoliten von Kiew. Damit gibt es seit gestern eine neue autokephale, sprich eigenständige Kirche, nämlich die "Orthodoxe Kirche der Ukraine".

Dazu muss man wissen, dass es in Istanbul zwar nur noch rund 2000 Griechen christlichen Glaubens gibt, die Stadt aber aus historischen Gründen noch immer Sitz von Patriarch Bartholomeos I. von Konstantinopel ist – des Ehrenoberhaupts von knapp 250 Millionen orthodoxen Christen weltweit. Er kann Landeskirchen die Unabhängigkeit gewähren. Davon gab es bisher 14 (darunter die russische, serbische, griechische und bulgarische orthodoxe Kirche).

Eine neue Kirchenspaltung

Der Patriarch von Moskau, Kyrill I., der als glühender Putin-Unterstützer gilt, sieht das dagegen völlig anders. Er warnte seinerseits den Patriarch von Konstantinopel dringend vor diesem Schritt. Damit nämlich würde es zu einem Schisma innerhalb der orthodoxen Kirche kommen, das über Jahrhunderte Bestand haben könnte. Noch am vergangenen Montag hatte Kyrill I. gedroht, die Tomos-Übergabe werde nicht nur zu einer Spaltung der Orthodoxen Kirche führen, sondern auch den Führungsanspruch des Patriarchats von Konstantinopel unterminieren.

Immerhin ist die russisch-orthodoxe Kirche mit 150 Millionen Mitgliedern die zahlenmäßig stärkte. "Das Leiden der orthodoxen Ukrainer, das Sie verursacht haben, wird Ihnen bis zum Jüngsten Gericht unseres unbefangen urteilenden Herrn folgen und vor ihm gegen Sie sprechen", drohte er. "Ich bete von ganzem Herzen, dass dies nicht geschehen wird. Es ist nicht zu spät, um aufzuhören." Allein: seine Gebete halfen nichts.

Ein langer Prozess

Tatsächlich war die Übergabe des Tomos ein höchst politischer Vorgang – auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko war bei der Zeremonie in der Georgs-Kathedrale in Istanbul anwesend, die sich über mehrere Stunden hinzog. Er sprach von einem "historischen Ereignis" und einem "großen Tag" für die Ukraine. Der Staatschef war bereits am Vortag angereist, hatte sich mit dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan getroffen und in der Kathedrale die Urkunde unterzeichnet. Ebenso nahm der frühere ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko an der Zeremonie teil. Die Ukraine fordert insbesondere seit der Annexion der Krim durch Russland 2014 eine eigenständige Landeskirche. Moskau wiederum sieht durch diesen Schritt seinen Einfluss auf die Ukraine weiter schwinden.

Ankara wiederum schien sich bei dem Prozess vornehm zurückzuhalten, und dürfte um gute Beziehungen zu beiden Ländern besorgt sein. Eigentlich nämlich erkennt die Türkei Bartholomäus I. zwar als Oberhaupt der orthodoxen Christen in der Türkei an, nicht aber als Oberhaupt aller orthodoxen Christen.

Inwieweit sich die Abspaltung verfestigen wird, hängt jetzt davon ab, ob die 13 anderen autokephalen Kirchen das neue Mitglied anerkennen. Der Prozess könnte sich über Jahre hinziehen. (Philipp Mattheis aus Istanbul, 6.1.2019)