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Die Bedeutung von Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne soll weiter steigen. Eine zu geringe Zahl einschlägig ausgebildeter Mitarbeiter könnte zum Problem werden.

Foto: dpa/hildenbrand

Wien – Strom aus erneuerbaren Quellen soll helfen, den Anstieg der Erderwärmung zu bremsen, möglichst rasch, möglichst effizient. Das zuletzt im Dezember bei der Klimakonferenz im polnischen Kattowitz bekräftigte Ziel, bis 2050 den Umstieg von klimaschädlichen fossilen Brennstoffen auf saubere Energie aus Wind und Sonne zu schaffen, könnte jedoch in weite Ferne rücken.

Um die Energiewende in Europa rasch und im notwendigen Umfang umzusetzen, gebe es schlicht zu wenig einschlägig ausgebildete Fachkräfte. Darauf weisen auch Experten in Österreich hin. Robert Pfarrwaller ist einer davon. Als Chef des österreichischen Marktführers im Bereich Elektrogroßhandel, Rexel, weiß Pfarrwaller um die Sorgen und Nöte der Branche bestens Bescheid.

"Kein neues Phänomen"

"Dass wir auf eine Fachkräfteverknappung zusteuern, sehen wir ja nicht erst seit gestern. Das zeichnet sich seit einigen Jahren ab", sagte Pfarrwaller im Gespräch mit dem STANDARD. Neu sei, dass das Thema nun Teil der öffentlichen Debatte ist, was gut sei. Es müsse gelingen, die Attraktivität von Handwerk und Lehre in der gesellschaftlichen Wahrnehmung zu heben. Sonst werde es kaum gelingen, einen Trend zu stoppen, der seit Jahren, im Grunde seit Jahrzehnten zu beobachten ist: Dass der Großteil der Jugendlichen fast automatisch Richtung Matura und Studium drängt und an eine Lehre erst gar nicht denkt.

"Uns fehlen jetzt schon Minimum 1000 Elektriker", sagte Pfarrwaller. Dank der boomenden Bauindustrie seien auch nachgelagerte Bereiche voll beansprucht. Wegen des Engpasses an Fachkräften könnten in manchen Regionen keine zusätzlichen Aufträge mehr angenommen werden, berichteten Kunden von Rexel. Und die Situation werde eher schlimmer als besser. Die Zahl der Schüler, die vor der Wahl zwischen Lehre oder Studium stehen, geht insgesamt wegen der demografischen Kurve zurück. Keine gute Voraussetzung für die Energiewende.

Bedeutung von Strom steigt

"Heute hat Strom einen Anteil von 20 Prozent am Energiemix. Der soll und wird in den nächsten Jahren Richtung 35 bis 40 Prozent steigen. Zugleich werden die dahinter liegenden Technologien komplexer, die Anforderungen insgesamt höher. Da tut sich eine Schere auf", sagte Pfarrwaller. Rexel Österreich ist als Großhändler mit den Marken Schäcke (Gewerbe) und Regro (Industrie) im Business-to-Business-Bereich tätig, zählt also primär Unternehmen zu seinen Kunden. Der zur gleichnamigen französischen Gruppe gehörende Elektrogroßhändler beschäftigt österreichweit rund 650 Mitarbeiter. 50 Prozent des Geschäfts entfallen bereits auf E-Commerce, in Summe seien das an die 180 Millionen Euro. "Das zeigt, in welche Richtung die Anforderungen künftig verstärkt gehen", sagte Pfarrwaller.

Aus der Not habe man bei Rexel Österreich eine Tugend gemacht und beschlossen, verstärkt auf Selbstausbildung zu setzen. Statt 20 Lehrlinge wie bisher will man künftig 50 ausbilden. "Wir finden zum Beispiel keinen Elektrogroßkaufmann", sagte Pfarrwaller. "Wir müssen mehr tun in unserer Branche, um der Spezialisierung gerecht zu werden."

Spezifischere Lehrpläne für Berufsschulen nötig

In Deutschland gebe es solche Curricula, in Österreich nicht. "Wir werden als Unternehmen sicher Kontakt zu Berufsschulen aufnehmen, inwieweit wir auch bei uns spezifischere Lehrpläne unterbringen können."

Pfarrwaller wünscht sich mehr Aufmerksamkeit und eine bessere finanzielle Ausstattung der Berufsschulen. Auch müsse die Ausbildungskette neu gedacht werden. So sei zu hinterfragen, ob das Polytechnikum, so wie es heute aufgesetzt ist, noch zeitgerecht ist. Pfarrwaller bezweifelt das. Er stellt zur Diskussion, ob man die Berufsschule nicht auf vier Jahre verlängern und das Einstiegsjahr zur Vermittlung von Allgemeinbildung nützen soll. (Günther Strobl, 7.1.2019)