Der neue Regierungsstil schreit nach neuen Regeln. Bei Entgleisungen des Koalitionspartners gilt: Der Entgleisende ist an einem Konflikt schuld – und der, der diese Entgleisung abbekommen hat, auch. Und wenn man zwischen diesen beiden Seiten vermitteln will, muss man natürlich beide maßregeln, zum Streiten gehören bekanntlich immer zwei. Diese Haltung ist wunderbar praktisch, weil man sich so eine Menge Arbeit erspart. Mit diesem Argument kann man Mobbing im Handumdrehen zu einem ausgewogenen Konflikt erklären.

Wenn jemand verbale Watschen kassiert hat, wird das sicher am beidseitigen Verhalten gelegen sein. Staatssekretärin Edtstadler ist eigentlich dafür abgestellt worden, ein Auge auf Innenminister Herbert Kickl zu werfen. Nach wüsten Attacken der FPÖ, die sich über die Caritas ergießen und deren vorläufiger Höhepunkt eine erneute Entgleisung gegenüber Caritas-Präsident Landau ist, fühlt sie sich allerdings dazu berufen, Angreifer und Angegriffenen zu Sachlichkeit zu mahnen.

Damit macht sie vor allem eines: Sie verschiebt die von der FPÖ sehr bedenklich verschobenen Grenzen ein weiteres Mal. Sie legitimiert die Ausfälle, verharmlost die Attacken, kurzum: Sie versucht, diese Attacken irgendwie normal, irgendwie duldbar, irgendwie erträglich erscheinen zu lassen. Das mag für die Koalition günstig sein – für die politische Kultur im Land, um die sie sich so besorgt zeigt, ist es das nicht. (Julya Rabinowich, 7.1.2019)