Seit dem blutigen Ende der Ceaușescu-Diktatur, also seit fast drei Jahrzehnten, hat man nie so viel über Rumänien in der internationalen Presse berichtet wie vor und nach der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft für die nächsten sechs Monate. Es handelt sich dabei nicht nur um die in dieser Zeitspanne bevorstehenden schicksalhaften Entscheidungen, wie den Austritt Großbritanniens aus der Union Ende März und die Europawahlen Ende Mai. Die Weltpresse beschäftigt sich vor allem mit den Zuständen in Rumänien selbst, und ihr Befund ist überwiegend negativ, besonders hinsichtlich der Korruption und der damit verbundenen Machtkämpfe.

Bereits im November hatte das EU-Parlament in einer Resolution gewarnt, der Rechtsstaat in Rumänien sei in Gefahr. Der Jahresbericht der EU-Kommission über Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung in Rumänien stellte fest, der Druck der Regierung auf die Justiz, neue Justizgesetze und Änderungen im Strafrecht gefährdeten die Fortschritte seit dem Beitritt des Landes 2007. Nach der Absetzung der mutigen Leiterin der Antikorruptionsbehörde will die sich sozialdemokratisch nennende postkommunistische PDS (die seit den Wahlen 2016 in Koalition mit den Liberalen regiert) den unabhängigen Generalstaatsanwalt aus dem Weg räumen. Zahlreiche Würdenträger und lokale Funktionäre der PDS sind rechtskräftig verurteilt oder werden von Haftstrafen bedroht. Zu diesen gehörten auch die Ex-Ministerpräsidenten der PDS, Adrian Năstase und Victor Ponta.

Turbulente Geschichte

Was sich aber in den letzten Monaten um den PDS-Chef und Parlamentspräsidenten Liviu Dragnea abspielt, ist beispiellos, selbst in der turbulenten Geschichte Rumäniens. Dieser mit Abstand mächtigste Politiker des Landes kann aufgrund einer Vorstrafe wegen Wahlmanipulation nicht der Regierung angehören und wurde im Juni wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch in erster Instanz zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Es wird gegen ihn auch wegen Veruntreuung von EU-Fonds in der Höhe von rund 21 Millionen Euro ermittelt.

Trotzdem gewinnt er die parteiinternen Machtkämpfe, diktiert die Regierungspolitik und führt den Kampf gegen den oppositionsnahen Präsidenten Klaus Iohannis. Dem aus der deutschen Minderheit stammenden Präsidenten droht Dragnea sogar mit einem Verfahren wegen Landesverrates. Das Staatsoberhaupt hat ihn wiederum als Gauner bezeichnet, blockiert die Ernennung von zwei Ministern für Verkehr bzw. Regionalentwicklung und hält die Regierung unter Viorica Dăncilă für "völlig unvorbereitet" zur Übernahme der EU-Präsidentschaft. Angesichts der Präsidentenwahl im November rechnet man mit einer Verschärfung des Streites zwischen Regierung und Iohannis.

Zugleich spielen Dragnea und die von ihm eingesetzte Ministerpräsidentin die nationale Karte aus. Die Demonstranten seien vom Ausland gesteuert ("Bezahlt von George Soros!"), und Brüssel diskriminiere Rumänien, weil dieses ein osteuropäisches Land sei. Dass die PDS noch immer der sozialdemokratischen EU-Fraktion angehört, ist übrigens ebenso unverständlich wie die Zugehörigkeit von Orbáns Fidesz-Partei zur Europäischen Volkspartei. (Paul Lendvai, 7.1.2019)