Bei einer Anonymverfügung nicht zahlen ist ganz schlecht. Selbst wenn nur zwei Kleinwagenräder das Dilemma ausgelöst haben.

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Die Wiener Straßenaufsichtsorgane gehen neuerdings auf den Strich. Nein, natürlich nicht so, wie Sie es jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Augen haben. Aber sie sind aufs Zuverdienen aus – wie anno dazumal, als Exekutivorgane angehalten waren, für jedes einzelne Rad, das Bodenmarkierung oder Gehsteigkante überragte, einen Strafbetrag zu verhängen. Damals bekam man, in flagranti erwischt, gegen Barzahlung wenigstens Skonto. Heute hingegen grassiert plumpe Anzeigerei.

Strich trifft Rad

Jetzt kurvt die Polizei wieder durch Wohnviertel, heimtückisch nachts oder in aller Herrgottsfrüh. Vorgeblich um das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu stärken. In Wirklichkeit haben es die Bullen aber auf Lenker abgesehen, die ihr Auto angesichts notorischer Parkplatznot an halblegalen Plätzen abstellen, an denen es auch im Fasanviertel nicht mangelt. Das macht die Runden für die Exekutive einträglich. Verteilt werden Anonymverfügungen mit Begründungen wie: "Sie haben das Kfz nicht entsprechend der Bodenmarkierung aufgestellt." Es ist also so: SUVs dürfen ungestraft eineinhalb Parkplätze brauchen, aber zwei Kleinwagenräder jenseits des Strichs, das kostet.

Diese Anonymverfügungen sind quasi der Bihänder unter den Verwaltungsstrafen. Rechtsmittel? Nicht zulässig. Bei Überweisung innert vier Wochen unterbleibt ein Strafverfahren, so die Rechtsmittelbelehrung. Die 48 Euro nicht zahlen? Ganz schlecht. Denn wohl erlischt die Anonymverfügung, gewonnen ist damit aber nichts. Denn die Behörde setzt dann Nachforschungen in Gang. Dieses Strafverfahren wird dann "einen höheren Strafbetrag aufweisen", schreibt das Amt. Das schätzen wir an unseren Behörden so: Sie lassen uns die Wahl zwischen Pest und Cholera. (Luise Ungerboeck, 10.1.2019)