Eine Sendung zu Hildegard Burjan könnte mehrere Stunden dauern und würde nicht fad werden. In der Reihe Feierabend waren ihr am Sonntagabend auf ORF 2 zehn Minuten gewidmet, aber die wurden gut genutzt – und zur rechten Zeit ausgestrahlt. Vor hundert Jahren forderte Burjan im Wiener Gemeinderat: "Gleicher Lohn für gleiche Leistung" – lange bevor man den Begriff Gender-Pay-Gap kannte, lange vor dem zweiten Frauenvolksbegehren.

Burjan war nicht nur eine frühe Frauenrechtlerin, sondern eine ungemein facettenreiche Persönlichkeit, wie die Kurzdoku anhand von historischen Bildern und Texten zeigt. Die aus einer jüdischen Familie stammende Atheistin konvertierte zum Christentum, weil sie schwer krank von Ordensschwestern aufopfernd gepflegt worden war.

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Sie war promovierte Philosophin und Sozialökonomin, Ehefrau und Mutter, Sozialpolitikerin, eine Reiche, die für die Arbeiterschaft eintrat, und schließlich Gründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis, die bis heute Schwerkranke und Alte sowie Kinder betreut.

Burjan thematisierte auch früh den Umstand, dass der Mensch auch Zeit für die "Fortbildung der eigenen Persönlichkeit" brauche. Burgschauspielerin Stefanie Dvorak, die für den Beitrag nicht nur aus Schriften Burjans liest, sondern diese auch ins Heute übersetzt, nennt es "fast beschämend", dass es immer um dieselben Themen geht. "Stell dich in die Zeit, bereit für ihre Fragen", heißt es im Hildegard-Burjan-Lied. Die 2012 von der katholischen Kirche Seliggesprochene würde sich wohl auch heute in die Zeit stellen. Nicht alle hätten damit Freude. Caritas heißt übersetzt übrigens Wohltätigkeit oder einfach Liebe. (Colette M. Schmidt)