Beim Spritzwein kommen die Leut zsamm.

Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Willkommen im neuen Jahr, und willkommen bei "Gemišt"!

Haben Sie Vorsätze für das neue Jahr gefasst? Ich habe einen. Abrüsten.

Das alte Jahr endete nicht in jener versöhnlichen Stimmung, die man der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr nachsagt. Die Gesellschaft ist gespalten, die Fronten sind verhärtet. Zumindest darüber herrscht Einigkeit dies- und jenseits der politischen Gräben.

Die konstruktiv denkenden Teilnehmer und Beobachter der politischen Debatten bemühen sich um Lösungen. Kollegin Petra Stuiber hat in ihrem letzten Kommentar im alten Jahr den simplen wie wunderbaren Vorschlag gemacht: einander zuhören. In meiner ersten Kolumne im neuen Jahr möchte ich einen Schritt weiter gehen: Lassen Sie uns bewusst und empathisch miteinander reden.

Noch nie war es so einfach, mit fremden, womöglich anders sozialisierten und vollkommen anders denkenden Menschen in Verbindung zu treten. Die sozialen Medien, aber auch Plattformen wie das noch vor ihnen gestartete STANDARD-Forum, haben unsere Öffentlichkeit verändert. Sie bieten einen einfachen Weg, uns mit Menschen auszutauschen, die gleiche Interessen haben und ähnliche Meinungen vertreten. Sie konfrontieren uns allerdings auch mit Menschen und mit Meinungen, die ohne die sozialen Medien für uns womöglich ungehört blieben. Ein Glücksfall für jede moderne Demokratie!

Sollte man meinen. Derzeit gelten soziale Medien vielmehr als größte Bedrohung des konstruktiven Austausches. Verantwortlich dafür, wenn auch nicht allein: die aggressive Sprache, mit der wir einander begegnen. Eine Sprache der Spaltung, der Abgrenzung und des Hasses. Der Vormarsch der Rechtspopulisten und Rechtsextremen – und die Reaktionen darauf – haben auch die Sprache in und über die Politik geprägt und verändert.

Die Linguistin Elisabeth Wehling spricht vom "langfristigen Anlernen der Denkkonzepte". Dabei muss man gar nicht mit den politischen Ideen, mit der emotionalen, ausgrenzenden Sprache einverstanden sein, auch das passive Zuhören oder sogar das kritische Auseinandersetzen mit bestimmten sprachlichen Bildern hat Einfluss auf uns und unser Denken. Diese Veränderung ist physisch messbar. Wenn zwei Jahre lang in einer Debatte bestimmte Begriffe verwendet werden, dann kann man physische Veränderungen am Gehirn messen, erklärte Wehlig in einem Interview mit dem Medienmagazin "Zapp".

Wie können wir uns als Journalisten, Bürger, Wähler der spaltenden, aggressiven Sprache entziehen? Indem wir nicht in die Falle tappen, das gleiche Konzept von "wir" und "die anderen" zu reproduzieren. Den Hassparolen Fakten und Empathie unverdrossen entgegensetzen, Diskriminierung unmissverständlich benennen und anprangern, aber selbst sprachlich abrüsten.

Wenn wir uns überlegen, wie wir in Zukunft miteinander leben wollen, müssen wir uns zuerst bewusst Gedanken darüber machen, wie wir miteinander reden wollen. (Olivera Stajić, 8.1.2019)