Viel hat wohl nicht mehr gefehlt, und die Triestiner hätten zu raufen begonnen, als wir vor dem Hotel den Mustang abstellten, um schnell einzuchecken. "Es ist ein Mustang!", sagt der eine. Weil es dunkel ist, bückt sich der andere zum Kühler, um ihn besser sehen zu können, den Gaul. Aber da ist keiner. Und auch sonst nichts. Nur ein riesiger schwarzer Grill. "Nein, nein, nein, das ist kein Mustang", sagt er. "Bullitt" sagt auf einmal ein Dritter, der hinter dem Wagen auftaucht und auf das gleichnamige Logo am Kofferraumdeckel zeigt. "Ah, Bullitt!"

Nebel in Triest.
Foto: Guido Gluschitsch

"Wenn wir nicht bald wieder wegfahren", murmelt meine Frau, "sitzt gleich einer im Kofferraum und ein zweiter im Auto." Das Brabbeln des 460 PS starken V8 beim Starten lässt die Männer gehen – gerade so weit auf die Seite, dass wir losfahren können. Bald sind sie, ob des Nebels in Triest, nicht mehr zu sehen. "Warum steht da wirklich Bullitt drauf?", fragt die Gemahlin.

Steve McQueen

Nein, das muss man nicht wissen, wenn man lieber selber Auto fährt als anderen dabei zuschaut, wenn man lieber ein Buch liest als einen Film anschaut. Obwohl, die drei Triestiner wären eigentlich in einem Alter gewesen, in dem sie den Film "Bullitt" sicher kannten. Steve McQueen spielt dort Lieutenant Frank Bullitt, und fährt als dieser eine der faszinierendsten Verfolgungsjagden der Filmgeschichte. Mit einem dunkelgrünen Mustang. Das ist jetzt ziemlich genau 50 Jahre her. Und um das wieder in Erinnerung zu rufen, baut Ford die limitierte Sonderedition des Ford Mustang Bullitt.

Statt des Mustangs ist am Heck ein Bullitt-Logo.
Foto: Guido Gluschitsch

Der Bullitt ist schöner als der herkömmliche Mustang. Oder sagen wir stimmiger. Weil das Mustang-Logo am chromumrandeten Grill fehlt, schaut der Wagen noch martialischer aus. Am Heck und am Lenkrad ist ein Bullitt-Logo. Und dieses ist das ziemlich genaue Gegenteil von den Blumenvasen, seinerzeit im Käfer. Das satte, dunkle Montana-Grün ist nicht nur die Außenfarbe sondern findet sich auch in den Nähten der Innenausstattung wieder. Der Schaltknauf der Sechsgang-Schaltung ist einer Billardkugel nachempfunden – ganz so wie damals im Mustang von Frank Bullitt. Also ja, Sechsgang-Schaltung. Den Bullitt gibt es nicht mit Automatik. Und das ist gut so.

Mehr Luft, mehr Laune

Noch wichtiger ist: Er hat eine Leistung von 460 PS und damit um 10 PS mehr als die Serienrodel mit dem 5,0-Liter großen V8. Dafür wurde die Motormanagement-Kalibrierung des Shelby Mustang übernommen und der Drosselklappen-Durchmesser auf 87 Millimeter vergrößert. Hinten raus gibt es auch Klappen.

Das erstaunliche am Bullitt ist, er fährt sich so gut, dass wir gleich alles anzweifeln, was wir über Ponycars wissen.
Foto: Guido Gluschitsch

In vier Stufen kann man den Klang aus der aktiven Klappenauspuffanlage steuern. Leise, Normal, Sport+ und Rennstrecke. Dazu gibt es auch die passenden Fahrmodi, bis hin zum Beschleunigungsrennen, obwohl man auch im Hosenscheißer-Rutschige-Fahrbahn-Modus mit dem rennstreckenoffenen Auspuffklang fahren kann, falls man Angst hat, dass einem das Heck beim nächsten Nieser anstandslos ausbricht und nicht mehr zu derhalten ist. Was aber garantiert nicht vorkommt. Eher passiert das Gegenteil.

Gebremst wird der Ami recht sportlich und knackig.
Foto: Guido Gluschitsch

Nämlich, dass du am Kurvenausgang fassungslos auf den Tacho schaust, weil du bemerkst, dass du gar nicht mit einem 80er herumnudelst, sondern grad mit dem doppelten Tempo über den Wechsel gen Süden stichst. Da muss man echt aufpassen, sonst kosten einen die zu beantwortenden Lenkererhebungen schnell einmal das halbe Wochenende. Aber es ist halt eine höllische Kombination, der Motor und das optionale MagneRide-Fahrwerk, das jeden seiner 3000 Euro, die es kostet, wert ist. Der mächtige Amerikaner liegt damit auf der Straße, dass man alles anzweifelt, was man bislang über amerikanische Ponycars wusste.

Dem strengen Blick des Gesetzes entgeht man mit dem strengen Blick des Mustang nicht.
Foto: Guido Gluschitsch

Und so war, abgesehen davon, dass man ständig ein Auge am Tacho haben muss, die Fahrt nach und von Triest das reinste Vergnügen. Ja, schon gut, der Bullitt hat einen feinen Abstandstempomaten verbaut, der einem diese Last des Tachobewachens auch noch abnehmen könnte. Aber jetzt gibt es eh schon so wenige Autos, die zu fahren wirklich Spaß machen, dann muss ich nicht das auch noch der Elektronik überlassen. Es reicht eh das schlechte Gewissen.

Ist eigentlich alles da, bis zum Abstandstempomaten. Aber in diesem Wagen macht selber fahren halt so viel mehr Spaß.
Foto: Guido Gluschitsch

Dieses deswegen, weil ich wirklich manchmal ein Alzerl zu schnell unterwegs war, was sonst nicht meine Art ist – mit offenen Auspuffklappen. Auf der Autobahn stört das nicht so sehr, rede ich mir ein, wenn alle anderen eh mit ihren Winterreifen lärmen. Und da muss man noch einmal den Hut ziehen, diesmal vor den Soundingenieuren.

Mittagsschlaferlunterlage

Es wäre ja ein Leichtes, den großen V8 einfach laut dröhnen zu lassen – Endtopf-Nachrüster haben da am aktuellen Mustang schon hinlänglich bewiesen, wie grauslich und prollig dieser klingen kann, wenn es einem nur um den Lärm geht. Die Serienanlage des Bullitt hingegen stellt manches Orchester in den Schatten. Nur so ist zu erklären, warum wir die Stunden nach und von Triest das Autoradio nicht eingeschaltet haben. Obwohl die fette B&O-Anlage mit ihren 1000 Watt sicher auch gut geklungen hätte. Stattdessen hat sich die Frau Gemahl vom satten Bass aus den acht Zylindern zu manchem Napserl am Weg hinreißen lassen.

Ja, man darf ein schlechtes Gewissen haben, wenn man dieses Auto fährt.
Foto: Guido Gluschitsch

Der große Motor sorgt dann noch einmal für ein schlechtes Gewissen. Immerhin weiß man, dass man effizienter reisen kann – wenn auch nicht annähernd so genussvoll. Allein der Normverbrauch liegt bei 12,4 Litern. Bei der Zahl muss ich sofort mit Schrecken an moderne Plug-in-Hybride denken, die einen Normverbrauch von 2,4 Litern haben, sich im Test dann aber genussvoll 10, 12 Liter genehmigen. Das Fünffache von 12,4 wäre 62. Der Tank vom Bullit fasst aber nur 61 Liter. Muss ich also am Weg ans Meer alle Dreiviertelstunden tanken? Nein, es trat ein völlig anderes Ford-Leiden auf, das ich noch bei keinem anderen Hersteller bemerkt hätte.

Ohrwurm gefällig? Auch wenn das Foto bei Nebel in Triest aufgenommen wurde, kann man sehr schön Thomas Forstners "Venedig im Regen" dazu singen.

Statt deutlich über den 12,4 Litern zu saufen, brauchte der Bullitt während des 14-tätigen Tests im Schnitt 10,2 Liter, also deutlich weniger als der Normverbrauch angibt. Werde ich alt oder ist halt wirklich ein gescheiter Saugmotor immer noch besser als eine gepimpte Luftpumpe? Ich weiß jetzt auch nicht, warum mir bei der Gelegenheit Zwei-Zylinder-Turbos einfallen, die keine 100 PS Leistung haben, aber gut und gerne 15 Liter Sprit durch die Schläuche fließen lassen.

10,2 Liter sind viel Sprit. Das ist in etwa so viel wie mancher Plug-in-Hybrid mit einem Normverbrauch von 2,irgendwas Liter auf 100 Kilometer schluckt. Oder der Mustang Bullit im Test.
Foto: Guido Gluschitsch

Und so sind wir wieder bei den Italienern, die zwar komplette Autonarren sind, dann aber trotzdem einen Kleinwagen fahren. Kein Wunder, denn wie alle anderen Städte auch, ist Triest nicht für einen Bullitt gemacht. Die Straßen abseits der Hauptverbindungen sind eng, verwinkelt und komplett zugeparkt. Da wollen wir den Mustang nicht abstellen. Zudem würde auf einem Parkplatz, aus dem schon ein Panda zur Hälfte rausragt, gerade einmal einer der 19-Zöller Platz haben. Also suchen wir uns eine Tiefgarage.

Verfolgungsjagd in Triests Tiefgaragen. Auch dafür eignet sich der Bullitt, wenn man auf Action statt Handlung steht.
Foto: Guido Gluschitsch

Da könnte man einmal eine Verfolgungsjagd machen. Proteo Laurenti im Mustang Bullitt verfolgt aus dem dritten Untergeschoß einen Triestiner Strizzi, der in einem alten Cinquecento flüchtet. Da fliegerten die Fetzen bis Opicina, so eng sind dort die Rampen. Und wenn Sie den Laurenti jetzt nicht kennen, weil Sie lieber Verfolgungsjagden in Filmen anschauen, statt zu lesen, dann macht das gar nichts. Denn nach dem Kunststück mit dem Bullitt in einem alten Parkhaus in Triest ohne Schaden in einen Stellplatz zu finden, beruhigten wir uns in der Gran Malabar. Aber von dem, was sich dort zutrug, erzähle ich im nächsten Rondomobil. Das würde jetzt den Rahmen sprengen. (Guido Gluschitsch, 14.1.2019)

Foto: Guido Gluschitsch