Sehen wir uns den bis heute in diversen Halloween-Artefakten gerne ikonisch zitierten Hexenflug an: Die Vorstellung, dass Hexen mit Hilfe des Teufels durch die Luft fliegen können, begegnet bereits als offenbar verbreitete Vorstellung im sogenannten Canon episcopi aus dem Jahr 900. Allerdings wird in diesem theologischen Text bestritten, dass derartige Flüge tatsächlich stattfinden würden. Vielmehr seien es Trugbilder, die der Teufel den Frauen vorgaukeln würde. Ab dem 13. Jahrhundert finden sich allerdings immer mehr Vertreter der Kirche, die den übernatürlichen Flug für Realität halten, den es dementsprechend zu bekämpfen gilt. Ob in der Imagination von nächtlichen, oft auch gemeinschaftlichen Ausflügen noch pagane Vorstellungen wie die Wilde Jagd nachwirken oder wir es hier mit einem auch außerhalb des europäischen Kontexts verbreiteten Bestandteil religiöser Vorstellungen zu tun haben, ist schwer zu beantworten.

Hexen am Weg zu ihrem Sabbat. Von Luis Ricardo Falero.
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Besen, Mistgabel, Ofenrohr oder Zaubersalbe

Was sich nach der Lektüre der "Steirischen Sagen von Hexen und Zauberei", wie sie Walter Brunner 1987 herausgegeben hat, mit Sicherheit sagen lässt: Auch steirische Hexen fliegen gerne aus. In der Regel ist es ein zielgerichteter Flug. Man beziehungsweise frau (darauf wird gleich zurückzukommen sein) will möglichst rasch und fast immer in der Nacht ein bestimmtes Ziel erreichen, das oft abseits befahr- oder begehbarer Straßen liegt. Dort, an diesem Ziel, warten in der Regel der Teufel und andere Hexen. Der angeflogene Ort ist oft eine besonders markante geologische Formation wie etwa der Schöckel bei Graz, aber auch wenig spektakuläre Treffpunkte wie Wälder oder gar Wegkreuze – wie in den Feldbacher Hexenprozessen.

Man trifft sich zum Tanzen bei lauter Musik und angedeuteten erotischen Aktivitäten. Oder aber man fliegt gemeinsam weiter, um Unwetter über die Felder der Gegend zu bringen. Recht speziell ist allerdings das Fluggerät steirischer Hexen. Der klassische Besen, wie man ihn bis heute aus den Medien kennt, kommt nur selten zum Einsatz. Weit öfter wird mit Mistgabel, Ofenrohr oder Ofenschüssel geflogen. Als Flugvorbereitung werden einerseits Zaubersprüche wie "Auf und davon und nirgends an" verwendet, andererseits kommen auch Zaubersalben zum Einsatz, mit denen sich die flugwillige Hexe einreibt.

Ungebetene Gäste beim Hexenfest: Sagen über den Hexenflug

Zwei besonders schöne Beispiele sind die Sagen "Der Hexenflug ins Hochgebirge" sowie "Der Hexenritt in der Graden" aus Brunners "Steirischen Sagen".

In beiden Fällen wird ein Mann Zeuge weiblicher Flugvorbereitungen inklusive des dazu gehörigen Zauberspruchs: "Auf und davon und nirgends an!" (oder "Auf und dran und nedescht mehr an"). Die Hexen, in der erstgenannten Sage Mutter und Tochter, im zweiten Text eine Bäuerin, fliegen sodann mit Ofengabeln beziehungsweise Ofenschaufel davon. Die heimlichen Beobachter wollen es den Frauen gleichtun, sind allerdings nicht in der Lage, sich den einfachen Zauberspruch richtig zu merken. Das führt im ersten Fall dazu, dass der Mann Frau und Tochter zwar auf einer weiteren Ofengabel verfolgen kann, allerdings unterwegs mit zahlreichen Bäumen kollidiert und arg ramponiert beim Hexentanzplatz eintrifft.

Anders als die munter tanzenden Frauen packt ihn die Angst und er "schrieb des Herrgotts Namen" in ein vom Teufel offeriertes Buch ein. Die alpine Partylocation verschwindet sogleich und er sitzt im steilen Felsen, von wo er nur mehr verletzt hinunterkommt, um zuhause Frau und Tochter irritiert vorzufinden. Noch schlechter ergeht es dem "Halterbuben" in der Graden: Er kann der Bäuerin gar nicht erst folgen, da er mit dem falschen Spruch "Auf und dran, überall an" nur kreuz und quer durch das Zimmer fliegt. Erst die Bäuerin befreit den Hexenlehrling aus seinem innerhäuslichen Flug mit einem "Gegensprücherl".

Zeichnung einer russischen Hexe auf einer Ofengabel, wie in der Sage beschrieben.
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Vor allem beim "Hexenflug im Hochgebirge" schimmert noch deutlich die auch aus spätmittelalterlichen Hexenprotokollen bekannte Langeweile und Frustration über den eigenen, übermüdeten – und offensichtlich nicht allzu hellen – Ehemann beziehungsweise Vater durch, dem die Frauen zumindest für eine Nacht in ein bunteres Leben mit Musik, Tanz und elegant gekleideten Teufeln entkommen wollen. Besonders deutlich wird dies auch in einer weiteren Sage: "Das gestörte Hexenfest".

Auch hier kommt ein junger Hirte seiner Bäuerin auf die Schliche, anders als die bisherigen Männer ist er jedoch intelligent genug, ihr ohne Probleme nachzufliegen. Er findet sich "vor einem großen Haus, dessen Fenster alle beleuchtet waren" wieder. Dort wird er von "schwarz gekleideten Herren" empfangen und in einen großen Saal geleitet, wo "festlich gekleidete Herren und Frauen (…) sich im fröhlichen Tanz" drehen. Unter ihnen erkennt er auch seine Bäuerin, "nur sah sie viel jünger und schöner aus (…)" und "tanzte flott mit einem großen Herrn in schwarzem Rock, aus dessen rückwärtiger Tasche so etwas wie ein Stück von einem Fuchsschweif hervorblickte. Nun wußte der Junge, wieviel es geschlagen hatte; die Hexen halten hier ein Fest ab, und die schwarzen Herren seien lauter Teufel." Als er nun aufgefordert wird, in einem Nebenzimmer seinen Namen in ein großes Buch einzuschreiben, um ebenfalls teilnehmen zu können, trägt der junge Mann "I.N.R.I." und drei Kreuze ein, woraufhin alles verschwindet. Wie schon beim "Hexenflug ins Hochgebirge" dient hier ein rituelles Fragment der christlichen Religion als eine Art Gegenzauber.

Hexensabbat am Brocken (Michael Herr (1650)). Die Hexen fliegen auf Besen, Gabeln und Paddeln.
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Der Hexenritt als Flucht vor der häuslichen Langeweile

Beide Sagen spiegeln nicht nur die Geschlechter- sondern auch Gesellschaftsverhältnisse wider: Die Bäuerin ist dem jungen Viehhüter in jeder Hinsicht überlegen. Denn selbst da, wo dieser ein besseres Gedächtnis hat, wie in "Das gestörte Hexenfest", nutzt ihm das wenig, ist er doch am Ende seinen Job los: "Was kümmert’s dich, wo ich hingehe, du hast aufs Vieh zu sehen und nicht auf mich! Nun prügelte die Bäuerin mit Hilfe eines ihrer Knechte den Jungen derb durch und jagte ihn schließlich aus dem Haus."

Diese Sagen machen auch deutlich, dass das Bild von der Hexe als weibliche Angehörige einer sozialen Randgruppe keinesfalls verallgemeinerbar ist (auch wenn es derartige Figuren in den steirischen Sagen gibt, wie ein weiterer Blogbeitrag zeigen wird). Vielmehr wird weibliche Zauberei hier als Möglichkeit präsentiert, sich dem beschwerlichen Alltag und den dazugehörigen Männern zumindest temporär zu entziehen. Genutzt werden dafür alle zur Verfügung stehenden Mittel, von der Ofengabel bis zum dialektalen Zauberspruch. Die Macht der offiziellen christlichen Religion beschränkt sich in diesen Sagen darauf, den Zauber verschwinden zu lassen, ohne dass die Frauen für ihr Tun Rechenschaft ablegen müssten.

Abschließend sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in den steirischen Sagen auch Männer zu geheimen Zaubertreffen gehen und auch sonst fast alles können, was Hexen zugeschrieben wird. Nur der Flug auf Hausratsutensilien ist eine weibliche Spezialität. (Theresia Heimerl, 27.2.2019)

Literaturhinweise

  • Walter Brunner, Steirische Sagen von Hexen und Zauberei, Graz 1987.
  • Peter Dinzelbacher, Heilige oder Hexen? Schicksale auffälliger Frauen in Mittelalter und Frühneuzeit, Zürich 1995.
  • Jeffrey B. Russell / Brooks Alexander, A New History of Witchcraft. Sorcerers, Heretics and Pagans, London 2007.
  • Walter Stephens, Demon Lovers. Witchcraft, Sex, and the Crisis of Belief, Chicago 2002.

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