Diesig beleuchteter Retrolook im neuen, zweiten Restaurant des Hotels Triest in Wien-Wieden.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die massiv belegten großen Brötchen heißen Bruchette.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Wer in Italien spätabends ein Hotel braucht und aufs Geratewohl von der Autostrada abfährt, kann immer wieder kleine Designwunder erleben. Putzige, familiär geführte Familienhotels wurden in den 1970er-Jahren reihenweise mit Esprit, handwerklicher Qualität und durchaus extravagantem Design gebaut – und bis heute gepflegt. Wenn man gerade erst dem bieder verlogenen Rustikalschmäh entkommen ist, mit dem diesseits der Grenze noch immer nach Gästen gefischt wird, macht das umso mehr Freude.

Es sieht fast so aus, als ob sich die Wiener Hotel-Triest-Macher daran orientiert hätten, als sie ihr unlängst eröffnetes Bistro Porto samt separatem, straßenseitigem Eingang planten: massive Bar, viel Terrazzo auf dem Boden, ordentlich Marmor an den Wänden, dazu eine langgestreckte, cognacfarbene Lederbank und stilisierte Messingregale als Raumtrenner. In Kombination mit der diesigen Sparbeleuchtung erinnert das durchaus an nächtliche Hotelentdeckungen irgendwo im Nirgendwo. Wirkt alles sehr retro, ist auch fraglos sehr solide gefertigt – in einem mondänen Großstadthotel, das den Designanspruch sogar auf dem Kassenzettel vermerkt hat, wirkt es halt wie ein wenig inspirierter Aufguss des zusehends in die Jahre gekommenen Nostalgietrends. Wenn dazu noch Konservenmusik von Frank Sinatra abwärts aus den Lautsprechern kommt, das fahle Lichtkonzept mehr an Sanatorium als an Grado gemahnt und der freundliche Service sich in der verwinkelten Architektur des Lokals zu verstecken versteht – dann muss die Küche schon aufsehenerregend gut sein, um den ersten Eindruck wettzumachen.

Backhendl mit Erdäpfelsalat

Hm. Auf der Karte gibt es einerseits Antipasti und Salate, andererseits Bruschette genannte, massiv belegte Groß-Brötchen (siehe Bild) und schließlich "Pasta & Porto-Klassiker". Es verwundert, dass ausgerechnet ein cisalpines Mustergericht wie Backhendl mit Erdäpfelsalat in den paar Wochen seit der Eröffnung zu einem Signature-Dish dieses vorgeblich italienischen Restaurants werden konnte. Aber egal, Tafelspitz-Carpaccio mit Vogerlsalat und Schnittlauch-Kren-Sauce wird schließlich auch unter Antipasti angeboten -soll das den Triestern gar mit Hinweis auf ihre Kaisertreue als autochthon untergeschoben werden? Die Scheibchen vom Gesottenen spielen unter dem sehr öligen Salat Fleischversteckerl, die Schnittlauchsauce ist eine fettige Mayonnaise – wer dazu Brot benötigt, muss (wie schon für eine fehlende Gabel) an die Bar gehen, um sich einen der Kellner zu fangen. Man versteht, dass die Burschen einigermaßen gehetzt wirken.

Großes Gähnen

Auch bei BBQ-Beef-Bruschetta sucht man zwischen erratischem Gemüsegeschnipsel lange nach dem versprochenen Fleisch, dank des aggressiv rauchigen Aschenbecheraromas der Salsa lässt man das aber eh bald bleiben. Thunfisch wird einerseits schüchtern und gräulich, andererseits zu durch gegrillt, ist aber ohnehin am äußeren Ende seiner Verzehrbarkeit angelangt. Dazu gibt's müde marinierten Fenchel und gehackte getrocknete Tomaten: großes Gähnen, Hotelessen par excellence. Viel besser gelingt der schwungvoll marinierte Rote-Rüben-Salat mit kreuzkümmeligen Kichererbsen, Schafkäse und Rucola. Mit Kürbis und Frischkäse gefüllte Pasta schmeckt schon deutlich nach Kühlschrank, der Entensugo zu den Garganelli besteht im Wesentlichen aus fettig gebratenen Champignons.

Fazit: Wer seine Nostalgie für in der Provinz vergessene italienische Designfundstücke stillen will, hält sich im Porto am besten an einem Drink an der Bar fest und überlässt das Essen den Hotelgästen. (Severin Corti, RONDO, 11.1.2019)

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