Eine Frau schwebt in Lebensgefahr, weil ein Mann "frustriert" von der Ablehnungen durch Frauen war. Das Wording bei schweren Gewaltdelikten und Morden an Frauen ist bis heute extrem unverhältnismäßig.

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Es wird gestritten. Es wird Schluss gemacht, dann findet man doch wieder zusammen, dann doch wieder nicht. Man ist verliebt und fürchtet, der oder die andere ist es weniger, leidet (sehr), glaubt, der oder die andere liebt jemand anderen (mehr). Was das alles mit Mord zu tun hat? Meistens nichts. Doch geht es um Morde an Frauen durch ihren Partner oder Ex-Partner, muss man leider sagen: zu viel.

Kaum ein Bericht über schwere physische Gewalt und Morde an Frauen kommt ohne irgendwelche "Zusatzinfos" aus, wie es denn so weit kommen konnte. "Nach einem Eifersuchtsstreit" steht da bei dem Mord an einer 51-jährigen Frau durch ihren Mann, der sie kurz vor Weihnachten in der Badewanne ertränkt hat. "Tödlicher Ehestreit" heißt es bei einem Mord an einer 23-Jährigen, auch durch ihren Mann, auch während der Weihnachtszeit. Gerade so, also ob der eine Ehestreit halt gut, der andere schlecht ausgehe.

"Frust" war es bei dem Angriff eines Mannes auf eine Radfahrerin mit einer Eisenstange. Schon mehrfach habe er versucht, Frauen anzusprechen – das alles hat nicht klappen wollen. Da war der "Frust" groß. Muss man das wissen? Oder sollte man das vom Täter so formulierte Motiv vielleicht etwas genauer und in anderen Worten umschreiben: Frauenhass böte sich da etwa an.

Individuell statt strukturell

Doch je psychologisierender und voyeuristischer eine Zeitung berichtet, desto weniger berichtet sie über strukturelle Ungleichheit zwischen Männern und Frauen, Sexismus und Misogynie. Darauf ist Verlass.

Doch wie sonst ist es zu erklären, dass sich jemand ernsthaft erwartet, Frauen müssten doch positiv darauf reagieren, wenn sie von völlig Unbekannten auf der Straße angesprochen werden, der sie dann auch noch mit dem Fahrrad verfolgt? Wer sich wundert, dass Frauen nach solchen Übergriffen nicht mit ihnen auf einen Drink gehen, hat ein ernsthaftes Problem mit seinem Frauen-, ach was, Menschenbild. Geschweige denn, wenn er brutal zuschlägt, wenn sie ihm nicht zur Verfügung steht. Es muss endlich ein Ende haben, derartige Vorstellungen zu normalisieren, indem man Erklärungen von Tätern übernimmt und alltägliche Gefühle wie "Frust" in einem Bericht über Gewalt gegen Frauen prominent platziert.

Höchste Zeit für den richtigen Ton

Das Problem endet auch nicht bei Normalisierung, sondern geht regelmäßig in Richtung Bagatellisierung. Ständig lesen wir in Berichten über Morde an Frauen durch ihren Partner oder Expartner, dass sie einen anderen hatte, die Beziehung mal beendete, dann wieder aufnahm, dass oft gestritten wurde, dass sie psychische Probleme hatte. Gewalt gegen Frauen wird so unentwegt individualisiert, während die strukturell und historisch gewachsene Ungleichheit so vertuscht oder auf "andere Kulturen" ausgelagert wird.

Seit Jahrzehnten betonen Gewaltschutzeinrichtungen, wie wichtig eine verantwortungsvolle Berichterstattung für den Kampf gegen Gewalt an Frauen ist. Dass das journalistische Echo darauf derart leise ist, ist auch Teil des Problems. Eines großen Problems: Männliche Beziehungsgewalt ist die meistverbreitete Form von Gewalt an gegen Frauen, europa- und weltweit. 36 Frauen kamen im Jahr 2018 hierzulande durch Gewalt durch ihre Partner oder Expartner um. Mehr als in den Jahren zuvor. Es wäre höchste Zeit, endlich die richtige Sprache dafür zu finden. (Beate Hausbichler, 9.1.2019)