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Kein schöner Anblick: Der neu entdeckte Fettberg im Untergrund des britischen Städtchens Sidmouth.
Foto: AP/South West Water

London – Die britische Kanalisation hat ein gröberes Problem mit Fett. Erstmals in die internationalen Medien schaffte es die ungustiöse Altlast im Sommer 2013, als Bewohner des Londoner Stadtteils Kingston zunächst über schlecht funktionierende Toilettenspülungen klagten. Die Ursache entpuppte sich als 15 Tonnen schwerer Fettklumpen, der das lokale Abwassersystem zu verstopfen drohte – ein Winzling freilich im Vergleich zum "Monster of Whitechapel", das vier Jahre später in der Kanalisation im Londoner East End entdeckt wurde: Das Fettgebirge wog mehr als 140 Tonnen – etwa so viel wie ein durchschnittlicher Blauwal – und erstreckte sich über eine Länge von 250 Metern. Seine Beseitigung dauerte über zwei Monate. Zwei kleine Fragmente der steinharten Masse schafften es sogar ins Museum of London.

Fragmente des "Monster of Whitechapel" sind im Museum of London zu bewundern.
Foto: APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS

Wachsendes Problem

Das jüngste Ungetüm, eine Mischung aus gehärtetem Speisefett und sanitären Abfällen wie Windeln und Feuchttüchern, wurde nun in einem Abflussrohr in Sidmouth, einer kleinen Küstenstadt in der südenglischen Grafschaft Devon, ausgemacht. Die 64 Meter lange Monstrosität zeigt, dass das Problem keineswegs auf britische Großstädte beschränkt ist.

Wie aber kommt es in der Kanalisation überhaupt zu solchen ungewöhnlichen Fett- und Abfallkonzentrationen? Wie Experten von Thames Water, einem privaten britischen Wasserversorgungsunternehmen, bereits anlässlich des Monster of Whitechapel betont haben, sind die Fettberge einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren geschuldet. Zum einen stammen viele Abwasserkanäle insbesondere in der britischen Hauptstadt noch aus dem 19. Jahrhundert. "Die unterirdischen Kanäle sind zwar auch heute noch sehr gut in Schuss" , erklärte Alex Saunders von Thames Water. Mit dem Bevölkerungswachstum könnten sie allerdings kaum mithalten.

Video: Wie entfernt man einen Fettberg?
BBC News

Fish and Chips und Feuchttücher

Viel mehr Kopfzerbrechen als das beschränkte Fassungsvermögen der Kanalisation bereiten den Behörden und Ver- sowie Entsorgungsunternehmen jedoch Veränderungen bei den Essgewohnheiten und der Beseitigung von Speiseresten und Sanitärartikeln. Das bei der Zubereitung von Fish and Chips, dem "inoffiziellen Nationalgericht" der Briten, und zahlreichen anderen frittierten Speisen anfallende Altöl wandert mittlerweile häufig direkt in die WCs.

Kombiniert man dieses mit feuchtem Toilettenpapier, das sich im Abwasser selbst nach längerer Zeit kaum zersetzt, kommt es zur Verseifung: Es entsteht verhältnismäßig rasch eine betonharte Masse, der man nur unter größten Mühen mithilfe von Hochdruckreinigern, Schaufeln und Spitzhacken beizukommen vermag. Aufgrund ihrer Schädlichkeit für die Umwelt will die britische Regierung den Verkauf von Feuchttüchern künftig verbieten.

Biodiesel aus Fettgebirgen

Inzwischen haben sich britische Unternehmen auf das Problem eingestellt und ziehen sogar Nutzen daraus: Seit 2015 ist im Londoner Stadtteil Beckton eine Anlage der Firma 2OC in Betrieb, die aus den Fetten im Abwasser Energie im Ausmaß von 130 Gigawattstunden pro Jahr erzeugt – genug, um zehntausende Einfamilienhäuser zu versorgen. Und auch das Monster of Whitechapel konnte seinerzeit ähnlich gewinnbringend wiederverwertet werden: Das Unternehmen Argent Energy in Ellesmere Port verarbeitete einen großen Teil des Fettgebirges zu Biodiesel. (tberg, 9.1.2019)