Lee Spencer vor dem geplanten Start in Gibraltar, der dann verschoben werden musste.

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Den Atlantik will er in weniger als 70 Tagen überqueren.

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Jean-Jacques Savin ist mit seinem Weinfass bereits unterwegs. Auf diesem Foto wird es gerade auf den Kanaren zu Wasser gelassen.

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Bei seiner Reise stellt er sich auch in den Dienst der Forschung.

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Der Atlantik, das dürfte bekannt sein, ist groß. Sehr groß sogar. Inklusive Nebenmeeren deckt er rund 100 Millionen Quadratkilometer ab – etwa ein Fünftel der Erdoberfläche. Nur der Pazifik ist ein größerer Ozean, aber um den geht es jetzt nicht. Der Atlantik also. Ihn allein zu überqueren, auf welcher Route auch immer, ist eine imposante Leistung. Will man das auf einem Ruderboot mit einer Beinprothese schaffen, macht das die Aufgabe nicht einfacher. Genauso wenig, wenn man es in einer Sperrholztonne mittels günstiger Winde und der Strömung versucht. Ob es in diesen beiden Fällen gelingt, werden die nächsten Wochen zeigen.

Lee Spencer ist der mit der Beinprothese. Der 49-jährige Brite verlor sein rechtes Bein unterhalb des Knies, als er 2014 einem Opfer eines Motorradunfalls in seiner Heimat helfen wollte. Umherfliegende Trümmerteile trafen ihn dort, wo ihn nun eine mit dem Union Jack verzierte Prothese stützt. Davor hatte er 24 Jahre lang als Kommandosoldat in der britischen Marine gedient, dabei drei Afghanistan-Einsätze unverletzt überstanden.

Vier Männer, drei Beine

Seitdem will er auf Menschen mit Behinderung aufmerksam machen und Geld für wohltätige Zwecke sammeln. Bereits Anfang 2016 überquerte er deshalb in 46 Tagen den Atlantik – an Bord befanden sich vier Ex-Soldaten mit insgesamt drei Beinen. Nun versucht es Spencer solo.

Der Start sollte eigentlich bereits am Dienstag in Gibraltar vonstattengehen, wegen der schlechten Wetterbedingungen wurde er aber auf Mittwoch und in die südportugiesische Hafenstadt Portimão verschoben. Donnerstagfrüh verfasste er seinen ersten Tweet auf hoher See:

Rudern in Zwei-Stunden-Intervallen

"Ich bin nervös, besorgt, aufgeregt – alles auf einmal", erklärte Spencer noch in Gibraltar. Er plant, entlang der afrikanischen Küste bis zu den Kapverden zu rudern und dann den Atlantik Richtung Venezuela zu queren. Vorgenommen hat er sich, in Zwei-Stunden-Intervallen zu rudern, mitunter auch nachts. Die Pausen will er nutzen, um zu essen, zu schlafen, Trinkwasser herzustellen, Blogeinträge zu schreiben und das Boot instand zu halten.

Für die rund 5.600 Kilometer hat Spencer Proviant für 90 Tage – schaffen will er es aber in weniger als 70. Der bisherige Rekordhalter ist der Norweger Stein Hoff, der 2002 in 96 Tagen, zwölf Stunden und 45 Minuten von Portugal nach Guyana ruderte. Die Bestmarke für einen körperbehinderten Alleinruderer stellte Stuart Boreham 2004 auf: 109 Tage, zwölf Stunden und neun Minuten von den Kanaren bis Barbados.

Im Weinfass unterwegs

Bereits seit 26. Dezember unterwegs ist Jean-Jacques Savin. Der 71-jährige Franzose stach von der Kanaren-Insel El Hierro aus mit einer orangen Tonne aus Sperrholz in See. Bereits Ende November hatte er bekanntgegeben, in einem für die Meere fit gemachten Weinfass den Atlantik queren zu wollen. Manche hielten es für einen PR-Gag der Firma, die das Fass gebaut hat. Andere gingen von den Träumereien eines alten Mannes aus. Er selbst sagte der Nachrichtenagentur AFP, dass er "das Gefühl von Freiheit" erleben und "den Reichtum und die Tierwelt des Meeres bewundern" wolle.

So oder so, Savin kommt in seinem drei Meter langen, 2,10 Meter breiten und 450 Kilogramm schweren Gefährt gut voran, wie online über einen Livetracker zu sehen ist. Dabei verlässt sich der eigenen Angaben zufolge einstige Fallschirmjäger, Pilot und Triathlet auf günstige Winde und die Strömung, die ihn nach drei Monaten in die Karibik treiben soll.

Im Dienste der Wissenschaft

In dieser Zeit will er auch einen Beitrag für die Wissenschaft leisten, etwa für die Erforschung der Atlantikströmungen oder wenn es darum geht, wie sich Einsamkeit in geschlossenen Räumen auf Menschen auswirkt.

Proviant hat Savin genug geladen, darunter einen Weiß- und einen Rotwein. Die erste Flasche war für Silvester gedacht, die zweite für seinen 72. Geburtstag am 14. Jänner. Die Flasche darf er dann ganz allein trinken. (Kim Son Hoang, 10.1.2019)