Demonstrationen könnten in Zukunft in Australien seltener werden. Die Regierung erlässt Gesetz um Gesetz, die die Bürgerrechte beschneiden. Über Umweltprobleme zu berichten gilt nun als Vergehen.

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Der Brief vom Generalstaatsanwalt kam am Heiligen Abend. Auslandskorrespondenten in Australien werden "eingeladen", sich in einem Register von Personen einzutragen, die "auf Geheiß eines ausländischen Auftraggebers" tätig sind. Auf diese Weise solle der Einfluss fremder Staaten auf die australische Politik offengelegt werden. Das Bedürfnis des Gesetzgebers nach mehr Klarheit ist durchaus legitim: Im vergangenen Jahr waren mehrere Fälle von Spionage sowie von Beeinflussung australischer Politiker durch ausländische Kräfte bekannt geworden.

Ein Senator musste zurücktreten, weil er Geld von einem Geschäftsmann akzeptiert hatte, der enge Verbindungen zur Kommunistischen Partei Chinas hat. Registrierbar seien Aktivitäten wie das Lobbying und die Finanzierung von Politikern, heißt es in dem Schreiben. Registrierbar ist aber auch "Kommunikation", wenn sie der "Beeinflussung von Politik und Regierung diene", so der Generalstaatsanwalt.

Dass Journalismus potenziell die Politik beeinflussen kann, ist kaum bestritten. Korrespondenten ausländischer Medien in Australien überlegen sich nun, ob sie sich registrieren sollen, selbst wenn sie nach strikten journalistischen Regeln und unabhängig von ihrem Heimmedium arbeiten. Bisher brauchten ausländische Korrespondenten in Australien keine amtliche Registrierung. Eine Journalistin fragt auf Facebook rhetorisch: "Australien ist eine Demokratie, oder?"

Abbau von Bürgerrechten

Die Aufforderung aus Canberra gehört zu einer ganzen Palette von Gesetzen und Maßnahmen, mit denen die demokratischen Rechte in Australien abgebaut werden. Es sei in den letzten Jahren "eine massive Zahl von Gesetzen verabschiedet worden, die vor dem 11. September 2001 undenkbar gewesen wären", meinte jüngst Pauline Wright, Präsidentin des Konzils für Bürgerrechte in Sydney.

Die Terrorangriffe in New York im Jahr 2001 hätten in Australien gar eine Flutwelle von neuen Gesetzen ausgelöst. "Es hat Eingriffe in die Meinungsfreiheit gegeben, die Pressefreiheit, die Bewegungsfreiheit, das Demonstrationsrecht – alles fundamentale Rechte, die unsere Demokratie untermauern", so Wright. Sie glaubt, kein anderes westliches Land habe unter dem Vorwand der "Gewährung der nationalen Sicherheit" derart viele und derart einschneidende Gesetze erlassen wie Australien.

Auch australische Journalisten stehen nun mit einem Fuß im Gefängnis, auch wenn sie ihre Arbeit professionell und gewissenhaft erledigen. Laut der Aktivistengruppe Getup droht Reportern lebenslange Haft, wenn sie Informationen veröffentlichen, die in den Augen der Regierung die "nationale Sicherheit" schädigen. Dieser Tatbestand gelte schon dann, wenn ein Drittland "den Glauben und das Vertrauen in Australien" verliere, so das Magazin Sydney Criminal Lawyers (SCL). Das könne über "die Publikation von Nachrichten" geschehen, warnt der Generalstaatsanwalt.

Journalisten im Gefängnis

Laut Getup drohe Journalisten zum Beispiel Gefängnis, wenn sie über die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in den von Australien betriebenen Flüchtlingsinternierungslagern berichteten.

Besonders besorgniserregend ist, dass das Gesetz die Definition von "nationaler Sicherheit" auf Wirtschaftsgüter und Handel ausweitet. "Es ist nun ein Vergehen, über irgendetwas zu berichten, das dem Ruf Australiens international schaden könnte – politisch oder wirtschaftlich", so SCL. Ein Reporter, der einen Beitrag über das unter Korallenbleiche leidende Great Barrier Reef schreibt, macht sich theoretisch strafbar, weil er potenziell den wirtschaftlich wichtigen Tourismus gefährdet. Journalisten drohten auch dann Strafen, wenn ihnen Informanten "klassifiziertes Material" zuspielen und sie es dann auf seine Richtigkeit prüfen, so der bekannte Justizkommentator Richard Ackland.

Laut der juristischen Fakultät der University of New South Wales in Sydney hat das Land seit 2001 über 50 sogenannte Antiterrorgesetze erlassen. In einer Umfrage von 2016 kommt das Institut zum Schluss, dass 350 nationale und regionale Gesetze potenziell die demokratischen Rechte und Freiheiten einschränken.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sieht in den Gesetzen gegen "Fremdeinfluss" ein "gefährliches Taumeln der Regierung in Richtung Autoritarismus" und eine "zynische Übung beider Seiten der Politik, um sich von der Prüfung durch die australische Zivilgesellschaft abzuschotten". Im Parlament dagegen hält sich die Kritik in Grenzen: Alle von der konservativen Regierung eingebrachten Gesetzesvorschläge wurden nach ein paar Anpassungen auch von der sozialdemokratischen Opposition durchgewunken. Die Laborpartei will sich nicht vorwerfen lassen, im Kampf gegen Terrorismus "weich" zu sein.

Armee gegen Demonstranten

Der Klammergriff des Rechtsstaates wird auch auf der Straße immer stärker. Die Regierungen der Bundesstaaten werden es laut einem neuen Gesetz künftig deutlich einfacher haben, die Armee aufzubieten, um bei Protesten Recht und Ordnung zu garantieren. Ein anderes Gesetz hat im Bundesstaat New South Wales zur Verdoppelung der Zahl der Leibesvisitationen durch die Polizei geführt. Auf die Behandlung im Bundesparlament warten noch Gesetze, die es dem Immigrationsminister erlauben würden, einem Australier nach eigenem Ermessen die Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn die betreffende Person noch eine zweite Staatsbürgerschaft besitzt.

Im Dezember verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das auch international für Schlagzeilen sorgen sollte. Um laut Regierung "Terroristen und Pädophile besser verfolgen zu können", können Softwareanbieter, Messagingdienstleister wie Whatsapp und Gerätehersteller künftig von Geheimdiensten und Polizei gezwungen werden, ihnen Zugang zu verschlüsselten Mitteilungen Verdächtiger zu verschaffen. Technologieanbieter können sogar angewiesen werden, von Geheimdiensten entwickelte Software zu installieren.

Derart weitreichende Eingriffe müssen zwar durch den Justizminister sowie den Kommunikationsminister bewilligt werden. Trotzdem reagierte die Industrie mit Bestürzung auf den Entscheid. Sie fürchtet eine "Schädigung des Rufs australischer Softwareentwickler und Hardwarehersteller auf internationalen Märkten", so ein Sprecher.

"Das Gesetz wird weltweit Konsequenzen haben", meinte so auch ein IT-Experte mit Verbindungen zu einigen australischen Überwachungsdiensten. "Andere Staaten werden Australien als Vorbild sehen für die Unterminierung der Verschlüsselungsdienste in ihrem Land. 'Big Brother' in Whatsapp zu haben ist ein Traum, und zwar nicht nur für Internetpolizisten, sondern für jeden autoritären Politiker." (Urs Wälterlin aus Canberra, 10.1.2019)