Es ist Murmeltiertag: In Pennsylvania erst am 2. Februar, in Österreich schon im Jänner. Die Bundesregierung zog sich zu einer Klausur zurück, um Wege zu finden, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten. Viele Experten hoffen auf eine Vereinfachung des Steuerrechts. Die Einkommen- und Lohnsteuerzahler fordern die Abschaffung der kalten Progression. Eine Vereinfachung wird es nicht geben. Die Abschaffung der kalten Progression ist auf 2023 verschoben, das soll die nächste Bundesregierung machen. Vom im Wahlkampf versprochenen Entlastungsvolumen von zwölf bis 14 Milliarden Euro sind wir meilenweit entfernt und über alles andere kann sich die Bundesregierung nicht einigen. Punxsutawney Phil hat seinen Schatten gesehen, der Steuerwinter dauert an.

Das bedingungslose Grundeinkommen wird nicht einmal ignoriert, auch in den Medienberichten zur "Steuerreform". In Italien, war zu lesen, nennen sie das, was als HartzIV in Deutschland seit einiger Zeit unter Dauerbeschuss steht, Grundeinkommen. Immerhin wurde am 8. Jänner im STANDARD-Artikel "Warum es so schwierig ist, Kleinverdiener zu entlasten" in einem Absatz die „Negativsteuer“ erwähnt. Was genau steckt dahinter? Und was würde eine echte Negativsteuer für die Mittelschicht in unserem Land bedeuten?

Entlastung bis über 100.000 Euro Jahreseinkommen

Das Mittlere Einkommen nach Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen der rund sieben Millionen einkommen- und lohnsteuerpflichtigen Österreicher und Österreicherinnen betrug 2017 ziemlich genau 28.000 Euro. Nehmen wir diese Zahl als Anhaltspunkt und legen fest, dass niemand in diesem Land bis zu einem Bruttomarkteinkommen von 28.000 Euro Einkommensteuer, Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge zahlen soll. Fassen wir weiters Einkommensteuer, Lohnsteuer und Versicherungsbeiträge zu einer gemeinsamen Abgabe zusammen und bestimmen sie mit einer Grenzrate von 50 Prozent.

In diesem System zahlt eine Person mit 28.000 Euro Markteinkommen weder Einkommensteuer noch erhält sie Zuschüsse in Form einer negativen Einkommensteuer – das ist der Break Even Point des Steuermodells. Hat eine Person gar kein Markteinkommen, das heißt ein Einkommen von Null, bekommt sie 14.000 Euro vom Finanzamt. Mit einem Markteinkommen von 20.000 erhielte man 4.000 Euro Negativsteuer (die Differenz zwischen Markteinkommen und Break Even Point mit minus 50 Prozent) und hätte ein Nettoeinkommen von 24.000 Euro. Mit einem Markteinkommen von 100.000 Euro blieben 64.000 Euro Nettoeinkommen übrig. Die Nettozahler überweisen dem Finanzamt 50 Prozent der Differenz zwischen ihrem Bruttoeinkommen und dem Break Even Point. In diesem System würde man als Arbeitnehmer in Österreich bis zu einem Bruttojahreseinkommen von 104.710 Euro oder 7.479 Euro monatlich plus 13. und 14. Gehalt (AK-Rechner) besser gestellt sein als jetzt!

Wird die Steuerreform unter Bundeskanzler Kurz die Mittelschicht begünstigen?
Foto:AP Photo/Geert Vanden Wijngaert

Eine "Back of the Envelope"-Berechnung

Wo ist der Haken? Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass es sich bei der negativen Einkommensteuer in dieser Form schlicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen in Höhe von 14.000 Euro jährlich handelt. Es gibt nur einen kleinen Unterschied: Während die negative Einkommensteuer aufgrund einer Einkommensteuererklärung oder der Lohnsteuer vom Finanzamt berechnet wird und nur ein Saldo ausbezahlt oder eingezogen wird, bekommt das Grundeinkommen zuerst einmal jeder überwiesen, vom armen Schlucker bis zum Millionär. Das Markteinkommen wird immer mit 50 Prozent besteuert, das Grundeinkommen kommt automatisch, natürlich steuerfrei, oben drauf.     

Für ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Höhe von 14.000 Euro pro Jahr für alle über 20-jährigen Österreicher und Österreicherinnen, sowie in Österreich lebende ausländische Staatsangehörige, das sind sieben Millionen Menschen, belaufen sich die Bruttokosten auf knapp 100 Milliarden Euro. Hier monieren die Kritiker, "das übersteigt doch das gesamte österreichische Bundesbudget!" Tatsächlich hatte das Budget 2017 einen Umfang von 77 Milliarden Euro. Allerdings lagen die Ausgaben für Sozialleistungen im gleichen Jahr bei über 105 Milliarden Euro. Die Staatsausgaben 2017 betrugen insgesamt 182 Milliarden Euro, etwas weniger als die Hälfte des österreichischen BIP.

Aber selbst wenn die monetären Sozialleistungen in Höhe von 67 Milliarden Euro im Grundeinkommen aufgehen sollten, fehlten nicht noch immer gut 30 Milliarden auf die benötigten 100 Milliarden? Nein, denn jedes Markteinkommen wird ab dem ersten Euro mit 50 Prozent Abgabe belegt, Grundfreibetrag und niedrigere Steuerklassen fallen weg. Das führt zu Mehreinnahmen von über 30 Milliarden. Das Grundeinkommen wäre komplett finanziert. Der 2017 verstorbene britische Ökonom und Mentor von Thomas Piketty, Sir Tony Atkinson, hat die Finanzierungsfrage folgendermaßen formuliert: „Die Höhe eines leistbaren Grundeinkommens kann ohne sich vom Sessel zu bewegen berechnet werden, in dem man die gewünschte Steuerrate mit der Steuerbasis multipliziert, die bisherigen Erträge aus Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträgen subtrahiert und die Kosten der Leistungen, die abgeschafft werden, addiert.“ Das ist wahrlich keine Raketenwissenschaft.

Geht's der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut

Natürlich gibt es noch viele Möglichkeiten, das Modell zu justieren, auszubauen, oder ein Grundeinkommen ganz anders zu gestalten. Auch muss man sich überlegen, wie die Übergangszeit dorthin aussehen soll. Mein Beispiel dient nur der Veranschaulichung der erforderlichen Größenordnungen. Wer mehr Umverteilung möchte, kann progressivere Steuerklassen einführen. Wer ein höheres Grundeinkommen möchte, kann sich zusätzliche Steuern überlegen, zum Beispiel eine Finanztransaktionssteuer, die Auszahlung des Geldmengenwachstums der EZB an alle Euroraumbürger, oder die Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer. Und gerade im Hinblick auf die vor kurzem bekannt gewordenen Datenverkäufe der Österreichischen Post wäre es höchste Zeit, sich unsere wertvollen Daten in Form eines Grundeinkommens wieder zurückzuholen. Fest steht für mich nur eines: Ein bedingungsloses Grundeinkommen muss immer fix an die Wirtschaftsleistung, das BIP, gekoppelt sein, dann ist auch endlich Schluss mit der unsäglichen kalten Progression. Im oben durchgerechneten Modell beträgt das Grundeinkommen 27 Prozent des BIP. Ein Drittel wäre besser. Bei einem prognostizierten BIP von 417 Milliarden Euro für 2020 würde das Grundeinkommen damit knapp 20.000 Euro betragen. Dann kann man zurecht behaupten: Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut. Damit nicht ewig das Murmeltier grüßt. (Christian Tod, 14.1.2019)

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