Die türkische Aufdeckerin Pelin Ünker soll für 13 Monate ins Gefängnis.

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Das Urteil sei keine Überraschung für sie, sagte die Journalistin Pelin Ünker. Und das wiederum sagt viel darüber aus, in welchem Zustand sich der türkische Rechtsstaat befindet. Ein Gericht in Istanbul hatte die 34-Jährige am Dienstag der Diffamierung schuldig befunden und sie zu 13 Monaten Haft sowie einer Geldstrafe von 8600 Lira, umgerechnet rund 1400 Euro, verurteilt.

Ünker hatte sich mit den Mächtigen angelegt. Sie hatte im Rahmen der Paradise Papers, bei denen weltweit Fälle von Steuerhinterziehung aufgedeckt wurden, über türkische Firmenkonstrukte berichtet. Dabei ging es um zwei Söhne eines mächtigen Vaters, nämlich von Binali Yildirim. Der 63-Jährige war von Mai 2016 bis Mai 2017 Ministerpräsident der Türkei und wurde anschließend Chef des türkischen Parlaments. Yildirim ist außerdem bei der im Frühjahr anstehenden Kommunalwahl Kandidat für das Bürgermeisteramt von Istanbul.

Bevor Ünker als Freelancerin unter anderem für deutsche Medien wie die Taz schrieb, war sie zehn Jahre lang Wirtschaftsredakteurin bei einer der letzten regierungskritischen und gleichzeitig ältesten Tageszeitungen der Türkei, der Cumhuriyet. Das Blatt hatte im November 2017 eine Reihe von Artikeln veröffentlicht, in denen es um türkische Firmenkonstrukte zur Steuervermeidung in Malta ging. Darunter waren auch zwei Schifffahrtsunternehmen, die Ausschreibungen im Wert von sieben Millionen Dollar von der türkischen Regierung gewonnen hatten. An ihnen sind die beiden Söhne Yildirims beteiligt.

Klage und "Schmerzensgeld"

Nach der Veröffentlichung wurde die mehrfach ausgezeichnete Journalistin von den Yildirims geklagt – nicht wegen Falschinformation, sondern wegen Beleidigung und Diffamierung. Von der Zeitung forderten sie "Schmerzensgeld" in Höhe von 500.000 Lira, gut 80.000 Euro.

Ünkers Anwalt Abbas Yalçin sagte, das Urteil sei nicht rechtskräftig, man werde Berufung einlegen. Nach der Urteilsverkündung verglich Ünker auf Twitter Journalisten mit Ärzten, die dazu verpflichtet seien, dem öffentlichen Interesse zu dienen: "Journalismus ist kein Verbrechen."

Die Lage der Pressefreiheit in der Türkei ist desaströs. In keinem anderen Land außer China sitzen derzeit mehr Journalisten in Haft. Auf dem Index der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen rangiert das Land mittlerweile auf Platz 157 – von 180 möglichen. (Philipp Mattheis, 9.1.2019)