Kinshasa – Im Kongo zeichnet sich der erste demokratische Machtwechsel seit rund fünf Jahrzehnten ab. Der Oppositionskandidat Felix Tshisekedi hat überraschend die Präsidentenwahl gewonnen. Sein größter Rivale, der Oppositionelle Martin Fayulu, sprach allerdings von Wahlbetrug und rief zum Widerstand auf. Bei Protesten kamen mindestens vier Personen ums Leben.

Zwei Polizisten und zwei Zivilisten seien bei der Niederschlagung einer Protestaktion in einer der Hochburgen Fayulus getötet worden, berichtete die Polizei am Donnerstagnachmittag. Bei dem Zwischenfall in der im Westen gelegenen Stadt Kikwit seien zudem zehn Menschen verletzt worden, erklärte der Polizeichef der Region, Dieudonne Mutepeke. Auch bei Protesten von Fayulus Anhängern in Kisangani im Zentrum des Landes kam es zu Auseinandersetzungen. In den Straßen der Hauptstadt Kinshasa brachen viele Menschen nach der Bekanntgabe des Ergebnisses in Jubel aus, es gab Hupkonzerte. Experten warnten angesichts der angespannten Lage in dem rohstoffreichen und instabilen zentralafrikanischen Land vor gewaltsamen Ausschreitungen.

Wahlbetrug befürchtet

Tshisekedi gewann gut 38 Prozent der Stimmen, wie die Wahlkommission unter Berufung auf die vorläufigen Endergebnisse mitteilte. Knapp dahinter lag mit 35 Prozent Fayulu. Der Kandidat der Regierungspartei, Emmanuel Ramazani Shadary, kam nur auf knapp 24 Prozent. Die meisten Beobachter rechneten mit einem Sieg Shadarys, der vom scheidenden, langjährigen Präsidenten Joseph Kabila unterstützt wurde. Für den Sieg bei der Präsidentenwahl vom 30. Dezember genügte eine einfache Mehrheit. Die Ergebnisse müssen am Dienstag noch vom Verfassungsgericht bestätigt werden.

Die Opposition hatte vor der Bekanntgabe der Ergebnisse Wahlbetrug befürchtet. Die Ergebnisse seien "erfunden und gefälscht", sagte Fayulu nach der Wahl. Die veröffentlichten Resultate hätten "nichts mit der Wahrheit der Urnen zu tun". "Das ist unfassbar", sagte er dem Rundfunksender Radio France Internationale. "Sie haben dem kongolesischen Volk den Sieg gestohlen und das Volk wird das niemals akzeptieren."

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Felix Tshisekedi soll Joseph Kabila als Staatschef ablösen. Kabila regiert das Land seit 17 Jahren, seit 50 Jahren gab es keinen friedlichen Machtwechsel mehr.
Foto: AP / Ben Curtis

Kritik von Kirche und Frankreich

Die im Kongo sehr einflussreiche katholische Kirche hatte bei der Abstimmung 40.000 Wahlbeobachter im Einsatz. Am Donnerstag erklärten die Bischöfe, die Ergebnisse der Wahlkommission "decken sich nicht mit den Ergebnissen unserer Beobachter, die sich auf die Auszählungen in den Wahllokalen stützten". Im Vorfeld hatte die Kirche laut Diplomaten ihren Ergebnissen zufolge Fayulu zum Sieger erklärt.

Auch der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian erklärte am Donnerstag in einem Interview, Tshisekedis Sieg decke sich nicht mit der Schlussfolgerung der Kirche und den vor Ort beobachteten Ergebnissen. Jetzt müssten alle Beteiligten ihre Anhänger zur Ruhe auffordern, um "Ausschreitungen zu vermeiden", forderte er. Das Wahlergebnis sei "das Gegenteil" des erwarteten Resultats. Auch die Europäische Union nahm das inoffizielle Ergebnis zunächst lediglich "zur Kenntnis", wie eine Sprecherin in Brüssel sagte.

Geheimdeal?

Tshisekedis Sieg wurde überschattet von Gerüchten, wonach er seinen Triumph einem geheimen Deal mit dem als korrupt geltenden Kabila verdanken könnte. Der unbestätigten Theorie zufolge hätte Kabila die Wahl zu Tshisekedis Gunsten fälschen lassen, um sich selbst vor Strafverfolgung zu schützen. "Der scheidende Präsident Jospeh Kabila wird Tshisekedi beeinflussen können, weil dieser seinen Aufstieg an die Macht der Kontrolle Kabilas über die Wahlkommission verdankt", erklärte Analyst Robert Besseling von der Risikoberatung ExxAfrica.

Experte Francois Conradie von der Beratung NKC Economics erklärte, für Kabila sei es ein schlauer Schachzug: "Damit ist die Sicherheit des scheidenden Präsidenten und seines Führungszirkels garantiert". Auch die von ihm bevorzugten Unternehmen würden wohl weiter gut im Geschäft bleiben. Kabila soll in seiner Amtszeit mit Kommissionen und Beteiligungen an Minengeschäften schwerreich geworden sein. Für Kabila ist die Wahl Tshisekedis demnach das kleinere Übel.

1,25 Millionen Wahlberechtigte waren ausgeschlossen

In einer Ansprache nach Bekanntgabe des Wahlsiegs zeigte sich Tshisekedi Medienberichten zufolge erstaunlich versöhnlich und erklärte, Kabila solle nicht mehr "als Gegner, sondern vielmehr als Partner" betrachtet werden. "Niemand konnte sich ein solches Szenario vorstellen, in dem der Kandidat der Opposition die Wahl gewinnt", sagte er demnach weiter. Der 55-jährige Gewinner ist der Sohn des langjährigen Oppositionsführers Felix Tshisekedi, der 2017 starb. Der jüngere Tshisekedi versprach den Wählern, Korruption und Armut zu bekämpfen.

Der neue Präsident soll bereits am 18. Jänner vereidigt werden, obwohl die Wahl in einigen Regionen wegen der Unruhen und einer Ebola-Epidemie nicht stattfinden konnte. Damit waren rund 1,25 Millionen von 40 Millionen Wahlberechtigten ausgeschlossen. Die Stimmabgabe soll dort im März nachgeholt werden. Bei der Abstimmung waren auch Provinzvertretungen und das Parlament neu gewählt worden. (APA, 10.1.2019)